Helfer in Steuersachen

Steuern? Mach ich selbst.

Der Steuerbescheid / Abgabenordnung

Zusammenfassung / Begriff

Steuern werden grundsätzlich von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Ein  Steuerbescheid ist die nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Festsetzung / der bekannt gegebene Verwaltungsakt (§ 155 AO). Bei periodischen Steuern wie z. B. der Einkommensteuer wird dieser Vorgang als "Veranlagung" bezeichnet.

♦   Woher kommt mein Steuerbescheid?

Nur in wenigen Ausnahmen tüten Finanzbeamte ihre Briefe noch selbst ein. Dies gilt erst recht für Briefe mit Steuerbescheiden. Von den rd. 20 Millionen Steuerscheiden sind rd. 6 Millionen Einkommensteuerbescheide. Der Versand der Bescheide geht über Druckzentren, von denen es insgesamt 10 gibt. Dort werden die Steuerbescheide gedruckt, eingetütet und abgeschickt. 

Gut zu wissen

Das Datum oben rechts im Steuerbescheid enthält das Datum, wann der Brief abgeschickt wurde. Für den Postweg werden drei fiktive Tage eingeplant. Am darauffolgenden Wochentag beginnt die einmonatige Rechtsmittelfrist. Wer im Bescheid Fehler findet, kann in dieser Zeit Einspruch einlegen und ihn überprüfen lassen. 

Wie kommen Sie zu Ihrem Recht, wenn der Steuerbescheid falsch ist?

Gegen einen Steuerbescheid kann Einspruch eingelegt werden. Dies hat innerhalb eines Monats zu geschehen. Ohne Einspruch wird der Steuerbescheid unanfechtbar, d. h. formell bestandskräftig. Er kann jetzt nur noch im Rahmen von bestimmten Korrekturvorschriften geändert werden: Rechtskräftige Steuerbescheide können nur noch geändert werden, wenn hierfür nachträglich neue Tatsachen / Beweismittel oder Schreib- oder Rechenfehler bekannt werden (§§ 172 bis 175 AO).

Ist die sog. Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 AO von vier  Jahren abgelaufen, ist eine Änderung des Bescheides überhaupt nicht mehr möglich.

Fazit: Während sich also die Finanzämter mit der Bearbeitung von Steuererklärungen oft monatelang Zeit lassen, bleibt den Empfängern der Steuerbescheide nur ein Monat Zeit, sich dagegen zu wehren. 

♦  Wirksam durch Bekanntgabe (§ 122 AO)

Von der Bestandskraft der Steuerbescheide ist deren Wirksamkeit zu unterscheiden. Steuerbescheide werden erst durch Bekanntgabe an den Empfänger wirksam. Voraussetzung für einen wirksamen Steuerbescheids ist, dass er demjenigen, für den er bestimmt ist, bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 AO / Name und Anschrift). Sind z. B. Name oder Anschrift falsch, ist der Bescheid nicht wirksam, sozusagen nichtig. 

 Für die Wirksamkeit gibt es einen festen Rahmen: 

  • Tag der Bekanntgabe

Die Wirksamkeit des Steuerbescheides tritt ein drei Tage nach Aufgabe des Bescheides zur Post. Als Tag der Aufgabe zur Post gilt das Datum des Bescheides, wenn es mit dem Datum des Poststempels auf dem Briefumschlag identisch ist.

Ist der dritte Tag ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag, gilt der nächste Werktag als Tag der Bekanntgabe (§ 108 Abs. 3 AO). Wobei der 31. Dezember bei der Fristberechnung nicht einem gesetzlichen Feiertag gleichzustellen ist (BFH Beschluss vom 20.03.2018 - III B 135/17).

  • Zahlungsaufforderung

Mit dem Steuerbescheid verbunden wird die Aufforderung, den geschuldeten Betrag innerhalb der bestimmten Frist (in der Regel ein Monat) zu entrichten.

  • Verspätete / keine Bekanntgabe

Kommt der Bescheid tatsächlich  erst nach Ablauf der drei Tage an, gilt er erst dann als bekanntgegeben. Dies muss dann der Steuerzahler glaubhaft begründen, wenn darum geht, ob rechtzeitig ein Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt worden ist. Widerspricht das Finanzamt, muss es den früheren Zugang des Bescheides beweisen (BFH Urteil vom 29.04.2009 - X R 35/08).

Keine Bekanntgabe

Dies gilt auch, wenn der Steuerzahler vorbringt, überhaupt keinen Steuerbescheid erhalten zu haben. Die Beweislast liegt beim Finanzamt, denn im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs zu beweisen (BFH Urteil vom 29.04.2009 - X R 35/08).

Wirkung der Bekanntgabe

Die Bekanntgabe wirkt zunächst zu Ihren Gunsten. Denn das Finanzamt kann den Ihnen bekanntgegebenen / übersandten Steuerbescheid nicht mehr einseitig zu Ihren Ungunsten ändern oder zurücknehmen. Sie aber können Einspruch einlegen und dadurch eine Änderung herbeiführen. 

Als Steuerpflichtiger haben Sie also zunächst gegenüber dem Finanzamt eine bessere Position, denn Sie können zu Ihren Gunsten eine Änderung herbeiführen, indem Sie innerhalb eines Monats Einspruch einlegen (§§ 347 ff. AO). Unterlassen sie dies, wird der Steuerbescheid unanfechtbar, d. h. formell bestandskräftig. Er kann jetzt nur noch im Rahmen von bestimmten Korrekturvorschriften geändert werden.

 

Nach Bestandskraft des Bescheides befinden Sie sich mit dem Finanzamt auf Augenhöhe, d. h. auf derselben Änderungsebene. Sie sind nun ebenfalls auf eine Korrekturvorschrift angewiesen, wenn der Steuerbescheid geändert werden soll.

? Änderung von Steuerbescheiden: Begriff eingeben + Suchen antippen.

♦   Art der Festsetzung des Steuerbescheides

Enthält der Steuerbescheid keinerlei Einschränkungen, ist die Festsetzung in der bekanntgegebenen Art endgültig. 

  • Vorbehalt der Nachprüfung

Das Finanzamt kann sich die endgültige Festsetzung der Steuer vorbehalten. Im Steuerbescheid lautet die Passage: Der Steuerbescheid steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO. Damit ist er in vollem Umfang offen, d. h. der Bescheid kann sowohl zu Ihren Gunsten als auch zu Ihren Ungunsten geändert werden. So können Sie z. B.  nachträglich noch abzugsfähige Aufwendungen nachschieben und so eine Änderung herbeiführen.

Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist nach § 169 AO von vier Jahren (bei Steuerhinterziehung 10 Jahre) abläuft. Der Vorbehalt kann vorher vom Finanzamt aufgehoben werden. Die Aufhebung ist zwingend nach einer Außenprüfung vorzunehmen. 

  • Vorläufige Steuerfestsetzung

Wenn ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für einen Steueranspruch vorliegen, z. B. bei ungeklärter Rechtslage, kann die Steuer vorläufig festgesetzt werden (§ 165 AO). Im Steuerbescheid lautet die Passage: Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig.

Im Teil Erläuterungen wird die teilweise Vorläufigkeit konkretisiert. Angegeben wird, welche gesetzlichen Vorschriften noch einer Klärung bedürfen. Sobald die Klärung herbeigeführt worden ist, wird der Steuerbescheid ggfs. automatisch / von Amts wegen geändert. Ein Einspruch ist in  diesen Punkten nicht erforderlich. 

♦   Formelle Voraussetzungen für den Steuerbescheid

Steuerbescheide werden nur noch programmgesteuert erstellt und sind somit nahezu ausnahmslos formell fehlerfrei. Dennoch sollen die Grundvoraussetzungen für einen wirksamen Steuerbescheid kurz genannt werden: 

Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Den Steuerbescheiden ist außerdem eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.

Eine Steuer wird nicht festgesetzt, wenn der Steuerbetrag 25 € nicht übersteigt. Die Festsetzung kann auch über einen Betrag von 25 € hinausgehend unterbleiben, wenn zu erwarten ist, dass

  1. die Erhebung keinen Erfolg haben wird oder
  2. die Kosten der Festsetzung und die Kosten der Erhebung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen werden.
  • Automatisch erstellte Bescheide / ergänzende Angaben

Steuerbescheide werden auf der Grundlage der den Finanzämtern vorliegenden Informationen und den Angaben der Steuerpflichtigen weitgehend automationsgestützt erstellt, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall individuell im Veranlagungsbezirk zu bearbeiten.

Die entsprechende Passage im Steuerbescheid lautet: Die Ergebnisse der Bearbeitung wurden zur elektronischen Übermittlung bereitgestellt. Dieser Festsetzung liegen Ihre (am..... um ...Uhr) in authentifizierter Form übermittelten Daten zugrunde. 

Ein Anlass zur individuellen  Bearbeitung liegt insbesondere vor, wenn die Steuererklärung nach dem sog. Risiko-Management auffällig erscheint oder der Steuerpflichtige selbst zur Steuererklärung besondere Angaben macht.  Im Hauptvordruck Zeile 42 sind dazu Angaben zu machen.

Hauptvordruck 

⇒   Steuerbescheid im Detail

Ein Einkommensteuerbescheid besteht aus mehreren Teilen:

  • Teil 1: Bescheidkopf
  • Teil 2: Steuerfestsetzung
  • Teil 3: Besteuerungsgrundlagen
  • Teil 4: Erläuterungen / Hinweise
  • Teil 5: Rechtsbehelfsbelehrung
  • Teil 6: Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung.

♦   Zu Teil 1: Bescheidkopf

So könnte der Bescheidkopf aussehen:

.                                                                                                                                       .

Finanzamt Ibbenbüren                                                49477 Ibbenbüren       03.06.20…

Veranlagungsbezirk 005                                              Uphof 10

IdNr. Ehemann / Person A    60 824 723 411         Telefon 05452 / 920-12345

IdNr. Ehefrau / Person B      61 184 913 512         Telefax 0800 100567894

Steuernummer 327/2082/2859

(Bitte bei Rückfragen angeben)

Herrn Karl Hecht                                                               Bescheid          

Frau Henrieke Hecht                                       für 20... über Einkommensteuer

Emsstr. 29                                                       und Solidaritätszuschlag

48365 Bollerhausen

.                                                                                                                                     .

  • Identifikationsnummer

Die Identifikationsnummer vereint lebenslang alle steuerrelevanten Daten zur Person. Deshalb benutzen auch andere Behörden und Stellen diese Zahl. 

  • Steuernummer

Die Steuernummer ändert sich dagegen häufig, etwa bei Umzug und Änderung der Art der Einkünfte. Die vollständige Steuernummer in NRW beginnt mit der 10 (10. Bundesland / diese Ziffern werden indessen unterdrückt). Ausgewiesen werden die Oberfinanzdirektion Münster mit der Ziffer 3 (3. Oberfinanzdirektion in NRW neben den O, das Finanzamt Ibbenbüren mit der Ziffer 27 (27. Finanzamt in der Oberfinanzdirektion (OFD) Münster neben den OFD Düsseldorf und Köln). Die letzte Ziffer ist eine Prüfziffer. Wenn die nicht stimmt, ergeht ein Fehlerhinweis. 

  • Datum des Bescheides, Beginn der Einspruchsfrist

An diesem Tag hat das Finanzamt den Bescheid abgeschickt. Grundsätzlich drei Tage später gilt er als bekanntgegeben.

Dies bedeutet: Ein Steuerbescheid gilt als bekanntgegeben am dritten Tag nach Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 AO). Der Tag der Aufgabe zur Post entspricht dem Datum des Bescheides. Ab dann beginnt die Einspruchsfrist von einem Monat zu laufen.

In vorliegenden Fall läuft die Einspruchsfrist ab am (Datum des Bescheides 03.06.20… + drei Tage =) mit Ablauf des 06.07.20.. um 24 Uhr.

Fällt der dritte Tag auf einen Samstag oder Sonntag, gilt er erst am Montag als bekanntgegeben. Entsprechendes gilt, wenn der dritte Tag ein Feiertag ist. 

♦   Zu Teil 2: Steuerfestsetzung

Unterschieden wird zwischen der Art der Festsetzung und der eigentlichen Festsetzung.

  • Art der Festsetzung

1. Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO)

Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Der Vorbehalt kann vom Finanzamt aufgehoben oder geändert werden, der Steuerpflichtige seine Aufhebung oder Änderung jederzeit beantragen. Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die vierjährige Festsetzungsfrist abläuft (§ 169 AO).

2. Teilweise vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO)

Wenn ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für einen Steueranspruch in Einzelpunkten vorliegen, kann die Steuer teilweise vorläufig festgesetzt werden.

Diese Regelung ist insbesondere anzuwenden, wenn

  • das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist,
  • die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesfinanzhof ist.

Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären. Die vorläufige Steuerfestsetzung kann mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden. Welche Fälle der Vorläufigkeitsvermerk erfasst, ist im Bescheid unter Erläuterungen anzugeben (schwebende Verfahren).

  • Eigentliche Steuerfestsetzung

Beispiel:

  Einkommensteuer Solidaritätszuschlag Insgesamt

Festgesetzt werden

Abzug vom Lohn des Ehemanns

Verbleibende Beträge

4.144.00 €

1.414.00 €

2.730.00  €

227.92 €

 

227.92

 

 

2.957.92 €

Abrechnung

Abzurechnen sind

bereits vorausgezahlt 

Demnach zu wenig gezahlt

 

2.730 €

2.670 €

60.00 €

 

227.92 €

212.00 €

15.92 €

 

2.957.92 €

2.882.00 €

75.92 €

Bitte zahlen Sie bis zum ….. 60.00 € 15.92 € 75.92 €

♦   Zu Teil 3: Besteuerungsgrundlagen

Die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen entspricht dem Veranlagungsschema (§ 2 EStG).

Mehr dazu: ? Suchen anklicken und den Begriff >Steuergesetze< eintragen.

♦   Zu 4. Erläuterungen / Hinweise

Soweit das Finanzamt von den Angaben in der Steuererklärung abweicht, hat das Finanzamt die Abweichung zu erläutern. Wenn das Finanzamt dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wird der Steuerbescheid erst nach Ablauf eines Jahres rechtskräftig. 

Hier in den Erläuterungen erklärt das Finanzamt auch, warum es Ausgaben gekürzt oder Pauschbeträge abgelehnt hat, etwa wenn zu einer Frage bei Gericht ein Verfahren läuft, dessen Urteil das Finanzamt abwartet. Der Bescheid bleibt in dieser Frage über die Einspruchsfrist hinaus offen. Der Bescheid ergeht "vorläufig". 

Steht der Bescheid unter dem "Vorbehalt der Nachprüfung", bleibt er für beide Seiten komplett änderbar, solange der Vorbehalt besteht. 

  • Der Hinweis im ESt-Bescheid, wonach für die Folgejahre keine Steuererklärung einzureichen sei, wenn sich die Einkommensverhältnisse nicht grundlegend veränderten, ist kein Verwaltungsakt und beinhaltet daher keine verbindliche Zusage (FG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 24.07.2013 - 4 V 1522/13).
  • Wenn das Einkommen die Grenze zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen / Hartz IV  unterschreitet, hat das Finanzamt den Steuerpflichtigen seine Rechte zu informieren (§ 13 SGB I). Die Höhe der Ansprüche ergibt sich aus dem SGB II.  

♦   Zu 5. Rechtsbehelfsbelehrung

Dem Steuerbescheid ist eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.

♦   Zu 6. Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung

Der Steuerpflichtige wird aufgefordert: Bitte leisten Sie alle Zahlungen unbar auf das angegebene Konto des Finanzamts. Wenn Sie die Steuern nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages zahlen, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des auf volle 50 € abgerundeten Steuerbetrages zu entrichten.

ʘ 15.06.2021