Helfer in Steuersachen

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1.2.0 Arbeitnehmer, Scheinselbständig

Anlage N

Zusammenfassung / Begriff

Arbeitnehmer ist nicht, wer seine Arbeitsleistung als Selbständiger / freier Mitarbeiter erbringt. Stellt sich heraus, dass ein Selbständiger in Wahrheit abhängig beschäftigt ist, können Nachzahlungen in die Sozialkassen fällig werden.

Abhängig Beschäftigte werden als sozial schutzbedürftig angesehen und unterliegen damit dem Schutz der Sozialversicherungen. Daher besteht für sie Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Selbständigen wird dagegen die Absicherung dieser Risiken selbst überlassen, so dass keine Beitragspflicht besteht. 

Ob eine Tätigkeit selbständig oder im  Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erfolgt, richtet sich nach dem Gesamtbild der Ausgestaltung (Rechtsprechung des Bundessozialgerichts / BSG).

 

Wegen der hohen Sozialabgaben und der Regelungen zum Kündigungsschutz versuchen immer mehr Unternehmen, die Nachteile einer Festanstellung durch >>freie Mitarbeit<< zu umgehen. Geht die Sache schief, sind beide benachteiligt, Auftraggeber und Auftragnehmer, wenn der >>freie Mitarbeiter<< in Wirklichkeit Arbeitnehmer ist. 

Beispiel: Eine ehemalige Mitarbeiterin in einer Werbeagentur arbeitet nach der Elternzeit weiter auf der Basis eines freiberuflichen Vertrages. Die Frau arbeitet in Vollzeit in den Räumen der Agentur und die tägliche Arbeit lässt keine Zeit für andere Kunden. Ihre Arbeitszeit stimmt sie mit den Urlauben der festangestellten Mitarbeiter ab. In diesem Fall besteht ein hohes Risiko der Einstufung als Scheinselbständige mit den entsprechenden Folgen. 

Nach dem Gesetz ist selbständig, wer Lieferungen oder sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt (§ 1 Abs. 3 LStDV). Im Zweifel sind die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abzuwägen (BFH Urteil vom 17.10.2003 - V B 80/03).

Ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist nach § 7 SGB IV zu beurteilen. Die typischen Merkmale nach § 7 SGB IV sind Weisungsgebundenheit der Erwerbspersonen und ihre betriebliche Eingliederung. Wenn Ihre Einnahmen im Wesentlichen nur von einem Auftraggeber stammen und Sie keinen festangestellten Mitarbeiter beschäftigen, geht das Finanzamt meistens von Scheinselbständigkeit, also von einem Arbeitsverhältnis aus. 

Zum Arbeitnehmerbegriff mehr:

? Freier Mitarbeiter: Begriff eingeben + Suchen antippen

  • Beispiel für Scheinselbständigkeit

Ein freischaffender Künstler, der Gefangene in der sozialtherapeutischen Abteilung einer Justizvollzugsanstalt (JVA) kunsttherapeutisch betreut, kann aufgrund folgender Indizien als lediglich "scheinselbständig" zu beurteilen sein (BFH Urteil vom 19. Januar 2017, V R 47/15): Der Sachverhalt spricht für Scheinselbständigkeit / Arbeitnehmer-Tätigkeit: 

  • Einbindung über einen mehrjährigen Zeitraum in den Gefängnisalltag sowie in die hierarchische Struktur der JVA,
  • Weisungsgebundenheit,
  • feste Arbeitszeiten, festgelegter Arbeitsort,
  • vorgegebene Arbeitsbedingungen einschließlich der Vorgabe der Teilnehmer an den Therapieprogrammen.

 ♦   Statusfeststellungsverfahren beantragen

Wegen der hohen Risiken können die Beteiligten im Streitfall oder aus Anlass einer Betriebsprüfung bei der bfa eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Dazu kann z. B. ein >>freier Mitarbeiter<< (Auftragnehmer) seinen sozialversicherungsrechtlichen Status feststellen lassen. Zu diesem Zweck hat die bfa Formulare ins Netz gestellt (Services / Selbständige / Vor der Rente). Das Statusfeststellungsverfahren dient der Klärung der Frage, ob eine Beschäftigung vorliegt, die zur Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung führt. Entschieden wird auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles. 

  • Zusätzlich 150.000 € in die Sozialsysteme?

Die Risiken der >>freien Mitarbeiterschaft<< zeigt folgender Fall:

Ein Unternehmer beschäftigt seit mehreren Jahren zwei >>freie Mitarbeiter<<, verheiratet mit jeweils zwei Kindern. Die freien Mitarbeiter  erhalten mtl. 3.000 € zuzüglich USt. Bei einer Betriebsprüfung kommt der Prüfer zu der Feststellung, dass beide Arbeitnehmer sind. 

Nun werden, rückwirkend für 5 Jahre Sozialabgaben erhoben, für die der Arbeitgeber haftet. Das sind überschlägig 2 x 36.000 € x 5 Jahre x 42 % : 100 = 151.200 €. Nach richtiger Anmeldung und Abzug von Lohnsteuer verbleiben den beiden >>freien Mitarbeitern<< noch ca. 1.800 € netto pro Monat. Als pfändungsfrei sind bei drei unterhaltsberechtigten Personen nur 39 € pro Monat. Praktisch bleibt der Unternehmer auf rd. 151.000 € sitzen.

Aber auch den >>freien Mitarbeitern<< stehen nun Monat für Monat erheblich niedrigere Beträge für die Lebenshaltung zur Verfügung.