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2.2.2 Zeile 16-21 Berufsausbildung in Abschnitten Zeile

Anlage Kind

Zusammenfassung / Begriff

Mit dem Ende der Berufsausbildung entfallen der Anspruch der Eltern auf Kindergeld und auf Kinderfreibeträge. In Handwerkerberufen endet die Berufsausbildung mit der Gesellenprüfung, in anderen Berufen mit der Gehilfenprüfung, in akademischen Berufen mit der Abschlussprüfung bzw. mit dem ersten Staatsexamen.

Dies bedeutet: Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird das Kind nur berücksichtigt, wenn es sich weiter in Berufsausbildung befindet und keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m.it § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder Tätigkeit im Minijob sind insoweit unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

Bei einer Zusammenfassung der ersten und zweiten Berufsausbildung zu einer Ausbildungseinheit verliert die Erwerbstätigkeit des Kindes ihre steuerliche Bedeutung, weil sich das Kind dann während der gesamten Ausbildungszeit in Erstausbildung befindet. Wenn also die Erwerbstätigkeit des Kindes als steuerlicher Nachteil umgangen werden soll, muss die Erst- und Zweitausbildung als Ausbildungseinheit dargestellt werden.

♦   Ende der Berufsausbildung

Die Berufsausbildung endet am Tage der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, es sei denn, das Kind nimmt schon vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses eine Vollzeiterwerbstätigkeit im angestrebten Beruf aufnimmt (Sächsisches FG Urteil vom 17.06.2015 - 4 K 357/11). Im Streitfall hatte eine Studentin ihre Diplomarbeit abgegeben, jedoch die Prüfungsergebnisse erst sechs Monate später (am 31.10.) erhalten. Während dieser Wartezeit war sie weiterhin an der Universität immatrikuliert und jobbte in der Wartezeit nicht mehr als 20 Stunden in der Woche.

Ende der Berufsausbildung ist die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. Im Falle einer ersten Berufsausbildung hat die Erwerbstätigkeit steuerlich keine Bedeutung.

Allerdings endet die Berufsausbildung bereits zu dem Zeitpunkt, in dem das Kind nach Ablegung der letzten Prüfungsleistung, aber noch vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt, weil es sich dann nicht mehr ernstlich auf sein Berufsziel vorbereitet, zumal wenn das Kind bereits in den aufgrund der Ausbildung angestrebten Beruf eintritt und damit sein Berufsziel bereits erreicht hat (vgl. BFH-Urteil vom 24.05.2000 VI R 143/99, BStBl II 2000, 473).

Weil das Kind in der Wartezeit eine Erwerbstätigkeit von weniger als 20 Stunden ausgeübt hat, liegen alle Voraussetzungen für die Gewährung von Kinderfreibeträgen bis zum 31.10. vor.

Anlage Kind

♦   Mehrere / mehraktige Ausbildungsabschnitte als Ausbildungseinheit

Auch wenn das Kind erwerbstätig ist oder über eigene Einkünfte und Bezüge verfügt, ist dies bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung steuerlich ohne Bedeutung. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wann die Erstausbildung aufhört und eine Zweitausbildung beginnt. Es sei denn, es gelingt, Erst- und Zweitausbildung als Ausbildungseinheit darzustellen.

  • Mehrere Ausbildungsabschnitte

Mehrere Ausbildungsabschnitte können eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann.

In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat. Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.

Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung kommt es auch darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen. Da die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegen wird, kann allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben. Betreibt das Kind etwa neben einer 22 Wochenstunden umfassenden Arbeitstätigkeit ein Vollzeitstudium an einer Universität, kann der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen (BFH Urteil vom 03.09.2015 - VI R 9/15).

  • Umorientierung steuerlich ohne Bedeutung

Eine Umorientierung des Kindes führt nicht zu der Annahme einer zweiten - steuerschädlichen - Ausbildung. Wird der sachliche Zusammenhang gewahrt, so ist eine Umorientierung unschädlich (BFH Urteil vom 23.10.2019 - III R 14/18). Eine Umorientierung ist z. B. dann schädlich, wenn das Kind nach einer Banklehre eine Ausbildung zum Agraringenieur beginnt, weil es am sachlichen Zusammenhang mangelt.

Bei einer unschädlichen Umorientierung bedeutet dies, dass sich das Kind immer noch in der ersten Berufsausbildung befindet, in der es nicht darauf ankommt, ob das Kind eine schädliche Erwerbstätigkeit ausübt.

Beispiel:

Frank Muster hat nach seinem Abitur eine Ausbildung bei einer Bank absolviert, Ende der Ausbildung 10.6.2020. Es sollte ein Studium am Bankkolleg mit dem Ziel des Abschlusses als Bankfachwirt folgen. Der Beginn des Bankkollegs verzögerte sich indessen, woraufhin er am 10.3.2021 einen Studiengang Betriebswirtschaftslehre an einer Fernuniversität belegen konnte. In der Zwischenzeit arbeitete er bei der Bank weiter im Vollzeitarbeitsverhältnis. Auch danach war er für die Bank tätig mit mehr als 20 Stunden in der Woche.

Die Eltern haben weiterhin Anspruch auf Kinderermäßigung, weil sich das Kind in Erstausbildung befindet. In diesem Fall ist die Erwerbstätigkeit steuerlich ohne Bedeutung. 

Anlage Kind

Der Umstand, dass letztlich das Studium am Bankkolleg mit dem Ziel des Abschlusses als Bankfachwirt aus von Frank Muster nicht zu vertretenden Umständen nicht durchgeführt worden ist, beweist, dass aufgrund objektiver Anzeichen erkennbar ist,  dass Frank Muster die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss einer Banklehre beenden wollte.

Auch ist der sachliche Zusammenhang zwischen dem ersten Ausbildungsabschnitt (Banklehre) und dem zweiten Ausbildungsabschnitt (Studium der Betriebswirtschaft) gewahrt.

Dies bedeutet, dass sich Frank Muster auch in der Wartezeit und auch danach immer noch in der ersten Berufsausbildung befindet, in der es nicht darauf ankommt, ob er eine schädliche Erwerbstätigkeit ausübt. Die Eltern erhalten somit während des ganzen Jahres 2020 Kindergeld oder Kinderfreibeträge.

♦   Mehraktige Ausbildung ist steuerschädlich

An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn bereits die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient (BFH Urteil vom 04.02.2016 - III R 14/15.

Bei einer solchen mehraktigen Ausbildung ist der zweite Ausbildungsakt eine Zweitausbildung, die nur dann gefördert wird, wenn das Kind keine Erwerbstätigkeit oder eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ausübt (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

Beispiel:

Das Kind hat eine Ausbildung zum Hotelkaufmann / Hotelkauffrau absolviert und danach drei Jahre in einem Hotelbetrieb gearbeitet. Ohne eine akademische Ausbildung hat das Kind keine Aufstiegschancen gesehen und ein Studium der Betriebswirtschaft begonnen. Das Studium ist eine Zweitausbildung und wird nur steuerlich gefördert, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden nachgeht.