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Anlage Kind
Zusammenfassung / Begriff
Ohne Altersbegrenzung werden Kinder berücksichtigt, die sich wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung nicht selbst finanziell unterhalten können. Die Behinderung muss jedoch vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sein (§ 32 Abs.4 Nr. 3 EStG).
Anlage Kind
Ein Kind kann sich dann nicht selbst finanziell unterhalten, wenn es seinen gesamten Lebensbedarf nicht mit eigenen Mitteln bestreiten kann. Dieser notwendige Lebensbedarf setzt sich typischerweise zusammen aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf (u. a. Kosten für eine Heimunterbringung, Pflegebedarf in Höhe des gezahlten Pflegegeldes, ggf. Behinderten-Pauschbetrag).
Als Grundbedarf ist bei der Prüfung der Voraussetzungen der Grundfreibetrag i. H. v. 11.604 € (Wert für 2024) anzusetzen. Der ermittelte notwendige Lebensbedarf wird mit den eigenen finanziellen Mitteln des Kindes verglichen. Die eigenen finanziellen Mittel des Kindes setzen sich aus dem verfügbaren Nettoeinkommen und den Leistungen Dritter zusammen.
Bei der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens müssen Sie alle steuerpflichtigen Einkünfte, alle steuerfreien Einnahmen sowie etwaige Steuererstattungen einbeziehen. Davon ziehen Sie die tatsächlich gezahlten Steuern sowie die unvermeidbaren Vorsorgeaufwendungen (Beiträge zu einer Basiskranken- und Pflege-Pflichtversicherung, gesetzliche Sozialabgaben bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) ab.
Dazu ? Suchen anklicken und den Begriff >Behinderten-Pauschbetrag< eintragen.
♦ Kindeseigene Mittel bei Behinderung
Hat das behinderte Kind keine eigenen Einkünfte oder Einkünfte bis zur Höhe des Grundfreibetrags plus Behinderten-Pauschbetrag, steht den Eltern der Abzug von Kinderfreibeträgen zu.
Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist anhand eines Vergleichs des gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits zu prüfen (BFH Urteil vom 27.10.2021 - III R 19/19).
Ob das behinderte Kind über Einkünfte und Bezüge verfüge, die seinen existenziellen Grundbedarf und den individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf decken, lasse sich zutreffend nur ermitteln, wenn der Bedarf und die verfügbaren finanziellen Mittel des Kindes bei der Vergleichsrechnung im Einzelnen betrachtet werden, so die Richter des BFH. Denn dadurch wird die für § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG maßgebliche tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Kindes bestimmt.
Sachverhalt: Das Kind (K) ist seit seinem 14. Lebensjahr mit einem Grad der Behinderung von 70 und dem Merkzeichen "G" schwerbehindert. K wohnt in einer stationären Einrichtung und ist bei der Stadt U im allgemeinen Verwaltungsdienst beschäftigt und bezieht für die Vollzeittätigkeit ein Gehalt. Der Landschaftsverband Westfalen Lippe beteiligte sich an den Kosten für seine Unterbringung und Betreuung in der Einrichtung.
Auf der Bedarfsseite waren 4.535 € in die Vergleichsrechnung einzustellen. Dem stehen eigene verfügbare Mittel des K in Höhe von 4.861 € gegenüber.
Danach hat FG izu Recht angenommen, dass K mit seinen Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit und mit der Eingliederungshilfe über ausreichende Mittel verfügt, um seinen Grundbedarf und seinen behinderungsbedingten Mehrbedarf zu decken. Die Eltern haben keinen Anspruch auf Kinderermäßigung.
Liegt bei einem Kind ein Gendefekt vor, der vor Erreichen des 25. Lebensjahres zu keiner Behinderung und/oder zu keiner darauf beruhenden Behinderung geführt hat, scheidet ein Anspruch auf Kinderfreibeträge / Kindergeld aus (BFH Urteil vom 27.11.2019 - III R 44/17).
Im Streitfall ist der Kläger Vater einer Tochter, die erst ab ihrem 30 Lebensjahr an einer erblich bedingten Muskelerkrankung leidet. Erste Symptome traten indessen bereits im Alter von 15 Jahren auf, z. B. Probleme beim Laufen und gelegentliche Versteifungen der Handmuskulatur. Die Familienkasse lehnte den Antrag auf Kindergeld für das Kind ab, weil die Behinderung nicht vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sei.
Der BFH hat das Finanzgericht aufgefordert, im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob der Gendefekt bereits vor Erreichen der Altersgrenze zu Funktionsbeeinträchtigungen bei dem Kind geführt hatte.