Helfer in Steuersachen

Steuern? Mach ich selbst.

5.0.1 Schätzung nach Richtsätzen (Richtsatzsammlung)

Verfahrensrecht / Strafprozessordnung (Steuer)

Auffällige Kennzahlen der Richtsätze aus der Richtsatzsammlung rechtfertigen den Anfangsverdacht, dass der Steuerpflichtige einen Teil der Betriebseinnahmen nicht verbucht hat.

Die Richtsätze sind ein Hilfsmittel bzw. geben Anhaltspunkte, Umsätze und Gewinne von Gewerbetreibenden zu verproben. Das Ergebnis der Verprobung des zu prüfenden Betriebes ist auffällig, wenn die Richtsätze zu niedrig oder zu hoch sind. Bei zu niedrigen Richtsätzen könnte der Steuerzahler nicht alle Einnahmen verbucht haben. Bei zu hohen Richtsätzen könnte der Steuerzahler die Übersicht verloren haben (Wareneinkäufe schwarz schwarz getätigt  und die Betriebseinnahmen nicht entsprechend gekürzt).

Bei den Richtsätzen handelt es sich um einen äußeren Betriebsvergleich, also um den Vergleich mit anderen Unternehmen derselben Branche. Beim inneren Betriebsvergleich wird hingegen das Betriebsergebnis eines Wirtschaftsjahres mit dem Vorjahresergebnis desselben Betriebes verglichen. Beide Methoden sind üblich und zulässig.

Beispiel äußerer Betriebsvergleich:

Ein Gastwirt kauft zusätzlich jeden Monat 10 Fass Bier a 100 Liter und 20 Flaschen Weizenkorn a 0.7 Liter, deren Bezug er nicht durch die Bücher laufen lässt. Der Verkauf dieser Waren führt zu einem zusätzlichen Umsatz, um den er seine tatsächlichen Betriebseinnahmen kürzen muss. Andernfalls sind seine Kennzahlen zu hoch.

Dies bedeutet: Er muss, dem nicht gebuchten Einkauf entsprechend, auch die Umsätze entsprechend kürzen. So mindert er Umsatz und Gewinn, was der Zweck dieser Maßnahme ist.

Beträgt der schwarze Einkauf der Getränke z. B. 10 % seines gesamten Wareneinsatzes, muss er auch 10 % seines Gesamtumsatzes kürzen, andernfalls könnten seine Kennzahlen auffällig sein.

⇒   Auffällige Kennzahlen

Praxis-Beispiel

Der Steuerpflichtige erzielt gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb eines Kiosks (Verkauf von Getränken, Süßwaren und Tabakwaren). Er ermittelte den Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) nach § 4 Abs. 3 EStG und  führt eine offene Ladenkasse. Die Tageseinnahmen trägt er in Kassenberichte ein.

Die erklärten Rohgewinnaufschlagsätze betrugen:

 

Kj. 01

Kj. 02

Kj. 03

Wirtschaftlicher Umsatz

174.101,54

171.147,73

182.267,74

Wareneinsatz

149.398,13

146.728,01

154.234,08

Rohgewinn

24.703,41

24.419,72

28.033,66

Rohgewinnaufschlag

16,54 %

16,64 %

18,18 %

Lt. Richtsatzsammlung  Kiosk

 

 

 

- Nahrungs- u. Genussmittel

22-33-49

20-39-82

20-39-82

- Tabak, Zeitschriften  

15-22-33

15-22-33

14-23-35

Der Rohgewinnaufschlag liegt im unteren Bereich der Rahmensätze. Zu einer Schätzung reicht dies indessen nicht aus. Vielmehr muss der Prüfer durch andere Fakten erhärten, dass nicht alle Einnahmen gebucht wurden. Er muss also noch andere Beweismittel finden, um die Buchführung als nicht ordnungsmäßig zu verwerfen und damit Hinzuschätzungen bei Umsatz und Gewinn zu rechtfertigen.

Dies wäre z. B. der Fall, wenn die Kassenführung nicht ordnungsgemäß ist, z. B. Eintragungen auf den Kassenberichten teilweise durchgestrichen sind und durch andere Zahlen ersetzt wurden. Oder wenn die Tageseinnahmen teilweise mit einem anderen Stift geschrieben worden sind als die übrigen Angaben. Oder wenn Kassenfehlbeträge festgestellt werden.

ʘ 18.06.2021