Helfer in Steuersachen

Steuern? Mach ich selbst.

4.0.0 D u r c h s u c h u n g von Räumen

Verfahrensrecht / Strafprozessordnung (Steuer)

Eine Durchsuchung von Räumen erfolgt durch die Beamten der Steuerfahndung nach richterlichem Beschluss auf Antrag der Buß- und Strafsachenstelle, selten im Beisein des Ermittlungsrichters oder der Staatsanwaltschaft (§ 162 StPO).

Steuerfahnder haben in diesem Zusammenhang dieselben Befugnisse wie die Beamten des Polizeidienstes bei Durchsuchungen (§ 404 AO), auch das Recht zu Beschlagnahmen (§§ 102 ff. StPO).

Eine Durchsuchung dient der Auffindung von Beweismitteln für eine Steuerstraftat. Die Vermutung, im Rahmen der Durchsuchung zu Beweismitteln zu gelangen, darf nicht nur auf rein gefühlsmäßigen Erwägungen beruhen, sondern muss sich stützen auf rationale Erwägungen, aus den Umständen des Falls oder auf kriminalpolizeiliche Erfahrungen.

Zulässig ist sowohl eine Durchsuchung bei Verdächtigen als auch bei nicht beschuldigten Dritten wie z. B. des Steuerberaters oder der Hausbank.

Eine Hausdurchsuchung gehört zu den erfolgversprechendsten Fahndungsmaßnahmen. So befinden sich die Beweise für eine Steuerstraftat häufig sorgfältig abgeheftet in Aktenordnern im Büro oder in Privaträumen. Es handelt sich dabei weniger um Ordnungsliebe als vielmehr darum, auch über getätigte Schwarzgeschäfte Unterlagen zu besitzen, mit Namen, Anschrift, Rufnummern, E-Mail-Adressen etc. der Kunden, um die Geschäftsbeziehung aufrecht zu erhalten.  

Praxis-Beispiel:

Ein Viehhändler steht im Verdacht, dass er teilweise das von Bauern / Landwirten aufgekaufte Tiere (Schweine und Rinder) nicht hat durch seine Bücher laufen lassen. Bei der Durchsuchung der Geschäftsräume stießen die Steuerfahnder in einem Büroschrank auf Notizbücher der letzten 12 Jahre, in denen arbeitstäglich jeder Viehankauf notiert war. Die Notizbücher wurden beschlagnahmt und ausgewertet. So konnte anhand der Notizbücher bewiesen werden, welche Umsätze der Beschuldigte (regelmäßig Bargeschäfte) nicht in seiner Buchführung aufgezeichnet hatte.

♦   Voraussetzungen der Durchsuchung

Voraussetzung ist ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss, es sei denn, es besteht Gefahr im Verzug (§ 98 StPO).

Bei einer Hausdurchsuchung muss entweder der Ermittlungsrichter, ein Staatsanwalt oder ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, mit anwesend sein. Gemeindebeamter ist jeder Amtsträger einer Gemeinde. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

Hausdurchsuchungen haben grundsätzlich bei Tage zu beginnen. Eine Hausdurchsuchung zur Nachtzeit ist nur unter den in § 104 Abs. 1 StPO genannten Voraussetzungen, z. B. bei Gefahr im Verzug, zulässig.

In einem Verfahren gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter einer Kapital- oder Personengesellschaft ist zur Durchsuchung der Geschäftsräume ein Beschluss nach § 102 StPO (Durchsuchung beim Verdächtigen) zu erwirken.

  • Als Anhang finden Sie die amtlichen Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren zu Durchsuchungen (Auszugsweise)

♦   Praxis-Beispiel:

Im Normalfall schlägt die Steuerfahndung je nach Größe des Betriebes und Anzahl der Privathäuser oft mit mehr als einem Dutzend Beamten völlig überraschend am frühen Morgen zu. Die Durchsuchung erstreckt sich insbesondere auf die Büroräume, aber auch auf die Privaträume des Inhabers, der Gesellschafter und auch der leitenden Angestellten. Es werden alle Räume durchsucht, auch Schlafzimmer.

Der Einsatzleiter zeigt den Durchsuchungsbefehl und der Beschuldigte muss auf einem bestimmten Stuhl Platz nehmen und darf diesen Platz nicht mehr verlassen. Alle Mitarbeiter beziehungsweise Angehörige werden in einem Raum zusammengeholt und überwacht. Telefonate werden untersagt, schnurlose Telefongeräte eingesammelt. Gespräche mit dem Verteidiger oder mit dem Steuerberater sind aber zulässig.

Die körperliche Durchsuchung dient insbesondere dem Auffinden von Beweismitteln, die sich in Kleidungsstücken (auch Brieftaschen) befinden oder in die Kleidung eingenäht sind (z. B. Schriftstücke und Schlüssel zu Schließfächern). Bei der körperlichen Durchsuchung einer Frau sind die Grundsätze des § 81d StPO zu beachten.

Alles in den Taschen des Beschuldigten und der anwesenden nahen Angehörigen und leitenden Angestellten muss auf den Tisch. Selbst die Handtasche der Ehefrau ist nicht tabu. Danach beginnt die Durchsuchung der Räume. Besonderes Interesse richtet sich auf Computer einschließlich externer Speicher.

Nicht selten ist dieser Vorgang ein belastendes Ereignis, das lange haften bleibt. Deshalb ist es wichtig, auf ein solches Ereignis vorbereitet zu sein, wenn es nach Sachlage eintreten könnte. Auch Unschuldige können in Verdacht geraten und Opfer einer Durchsuchung werden.

♦   Was ist zu tun, wenn die Steuerfahndung erscheint?

  • Erste Regel: Ruhe bewahren.

Gegen eine Durchsuchung kann man sich nicht wehren, denn sie ist gerichtlich angeordnet.  Die Durchsuchung muss "durchgestanden" werden. Hilfe von der Justiz ist momentan nicht zu erwarten, da hierfür schlicht die Zeit fehlt. Die Steuerfahnder ermitteln in Doppelfunktion, einmal im Besteuerungsverfahren zur Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen und im Steuerstrafverfahren. Sie sind durch das vorangegangene Aktenstudium gut vorbereitet. Steuerfahnder sind geübte Durchsucher. Ihr Augenmerk richtet sich auf Briefe, Notizzettel, Notizbücher, Kalender, Schmierzettel, Kontoauszüge, Schlüssel (Safe), Verträge. Die Steuerfahnder haben das Recht, alle Papiere durchzusehen und ggfs. zu beschlagnahmen. Der Beschuldigte sollte auf einer Beschlagnahme bestehen, also nicht die Unterlagen freiwillig herausgeben. Dadurch werden die einzelnen Gegenstände genau aufgezeichnet. Eine Ausfertigung dieser "Inventur" muss dem Beschuldigten auf Verlangen ausgehändigt werden.

  • Zweite Regel: Nichts sagen, was belastend sein könnte.

Aber kooperieren Sie. Wenn Sie in Erfahrung bringen können, nach was die Beamten suchen, geben Sie entsprechende Hinweise. Je früher die Durchsuchung beendet ist, desto eher kann die Arbeit im Betrieb weitergehen. Wenn Sie nicht wollen, dass die Beamten die Computer mitnehmen, bieten Sie Kopien der Dateien an.

  • Dritte Regel: Sofort den Steuerberater anrufen.

Er soll möglichst schnell kommen. Er wird mit dem Einsatzleiter sprechen, um die Durchsuchung zu strukturieren und sie möglichst schnell zu beenden. Der Beschuldigte selbst sollte sich auf keine Äußerungen einlassen, ohne den Berater zu befragen.

Der Berater sollte erkunden, ob sich die Ermittlungen auch auf Kunden, Lieferanten erstrecken. Dann sollte der Beschuldigte vorher mit ihnen Kontakt aufnehmen. Das unvorbereitete Erscheinen der Steuerfahndung bei den besten Kunden kann nachteilige wirtschaftliche Folgen haben.

  • Vierte Regel: Arrest abwenden

Zur Sicherung der Vollstreckung von behaupteten Geldforderungen werden anlässlich einer Durchsuchung auch schon mal Vermögenswerte im Wege des  Arrests mitgenommen oder gepfändet (§ 324 AO): Vorgefundenes Bargeld, Kontoauszüge. Oder es werden für Immobilien Sicherungshypotheken eingetragen. Derartige Maßnahmen können die wirtschaftliche Existenz des Beschuldigten unmittelbar gefährden.

Daher sollte sogleich mit der Vollstreckungsstelle eine Einigung getroffen werden, dies zu vermeiden. Ihr Argument: Die behaupteten Steuernachforderung werden sich später drastisch reduzieren aus folgenden Gründen: ….. Mit der Einigung vermeiden Sie eine zweite Front in der Auseinandersetzung mit dem Fiskus.

Leisten Sie freiwillig eine Vorauszahlung, sie präjudiziert nicht die spätere Steuerschuld. So vermeiden Sie einen Streit an zwei Fronten, mit der Steuerfahndung und der Vollstreckungsstelle.

  • Fünfte Regel: Protokoll aushändigen lassen

Am Schluss der Durchsuchung steht die Abschlussbesprechung, in der Sie das Sicherstellungsverzeichnis und das Durchsuchungsprotokoll prüfen können. Beide müssen Sie unterschreiben. Im Protokoll über die mitgenommenen Gegenstände muss bei jeder einzelnen Position das Kästchen >>Beschlagnahme<< angekreuzt werden. Lassen Sie sich eine Kopie des Protokolls geben

  • Sechste Regel: Geduld bewahren

Nach dem ersten Sturm heißt es Geduld zu bewahren. Denn als Beschuldigter müssen Sie sich auf ein langes Verfahren einstellen, das mehrere Monate, ja sogar Jahre, dauern kann. Der Mittelwert liegt bei zwei bis drei Jahre. Mit Erledigungseile kommt man hier nicht weiter, bewirkt eher das Gegenteil.

ʘ 18.06.2021