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Anlage Außergew. Belastungen
♦ Behinderten-Pauschbetrag für Verstorbenen
Wenn ein Mensch verstirbt, übernehmen die Erben seine steuerlichen Rechte und Pflichten, treten damit in die Rechtstellung des Verstorbenen ein, auch gegenüber dem Finanzamt.
Erben können somit noch nach dem Tode des Erblassers für diesen eine Steuervergünstigung beantragen. Der Anspruch auf Steuererstattung gelangt so in die Erbmasse. Dazu müssen Sie nachträglich beim Versorgungsamt für den Verstorbenen einen Behinderten-Ausweis erwirken.
Die Versorgungsämter spielen mit, denn sie sind angewiesen, auf Antrag auch für Verstorbene anhand der ärztlichen Unterlagen noch Feststellungen über seine Behinderung zu treffen und erteilen entsprechende Bescheinigungen. Antragsberechtigt sind Sie als Rechtsnachfolger / Erbe. Der Schwerbehindertenausweis ist Grundlagenbescheid für die Steuerbescheide des Verstorbenen. Nun muss das Finanzamt nach § 175 AO die Steuerbescheide des Verstorbenen nachträglich ändern, soweit die Festsetzungsfrist* von mindestens 4 Jahren noch nicht abgelaufen ist (§§ 169, 170 AO). Die Steuererstattung kommt Ihnen als Rechtsnachfolger / Erbe zugute.
Dasselbe gilt, wenn z. B. ein verstorbener Elternteil in schwerstbehindert war und er selbst in seinen Steuererklärungen keinen Behinderten-Pauschbetrag geltend gemacht hat. Nun können Sie als Erbe den Pauschbetrag von 7.400 € (Wert ab 2021) unter Hinweis auf das Merkzeichen aG, TBl H beantragen. Diese Merkzeichen entsprechen den Pflegegraden 4-5 für die Krankenkassen.
Bei z. B. Merkzeichen aG des Verstorbenen können Sie - bei vorangehender Unterbringung im Pflegeheim - die tatsächlichen höheren Pflegekosten im Pflegeheim geltend machen. Alte Steuerbescheide des Verstorbenen werden dann berichtigt. Erstattungsbeträge fließen Ihnen als Rechtsnachfolger / Erbe zu.
*Die Festsetzungsfrist von 4 Jahren beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht werden muss, spätestens jedoch mit Ablauf des 3. Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in welchem die Steuer entstanden ist (§ 179 Abs. 2 AO).
Tipp Einfach bei Pflegegrad 4 oder 5
Das Finanzamt muss den Behinderten-Pauschbetrag in Höhe von 7.400 € für Ihren verstorbenen Vater ohne wenn und aber nachträglich berücksichtigen, wenn Ihr Vater Pflegegeld für den Pflegegrad 4 oder 5 bezogen hat. Dies kann als Nachweis gelten, dass Ihr Vater "hilflos" war, Legen Sie entsprechende Unterlagen dem Finanzamt vor.
♦ Rückwirkende Gültigkeit beantragen
Stellen Sie beim Versorgungsamt den Antrag auf rückwirkende Gültigkeit des Behinderten-Pauschbetrages, soweit zurück wie eben möglich. Denn Sie können auch für zurückliegende Jahre den Pauschbetrag beanspruchen, d.h., das Finanzamt muss alte Steuerbescheide ändern, wenn eine Behinderung nachträglich für zurückliegende Jahre festgestellt wird. Der Behindertenausweis hat für das Finanzamt die Bedeutung eines Grundlagenbescheides*, der zur Berichtigung von bereits bestandskräftigen Steuerbescheiden führt (§ 175 Abs. 1 AO).
*Grundlagenbescheid und seine Bedeutung:
Soweit eine Besteuerungsgrundlage in einem Bescheid gesondert festgestellt worden (z. B. der Schwerbehinderten-Ausweis), ist die darin getroffene Feststellung für einen Folgebescheid bindend. Ein Folgebescheid kann z. B. ein Einkommensteuerbescheid sein (§ 175 AO).
♦ Pflegekosten nachträglich geltend machen
Behinderte Menschen haben ein Wahlrecht: Anstelle des Behinderten-Pauschbetrages können sie die tatsächlich entstandenen Kosten, die ihnen z. B. durch Unterbringung im Pflegeheim entstanden sind, geltend machen (BFH Urteil vom 04.11.2004 - III R 38/02).
Haben Sie sich zunächst für den Pauschbetrag entschieden, können Sie Ihr Wahlrecht auch nach Rechtskraft des Bescheides zugunsten des Abzugs der tatsächlichen Kosten im Pflegeheim ausüben.
Das Finanzamt beruft sich indessen gern darauf, Steuerbescheide seien nicht mehr änderbar, wenn sie erst einmal rechtskräftig geworden seien. Dies ist im Prinzip richtig. Wenn Sie aber vorbringen, Sie hätten wegen der vielen Gesetzesänderungen den Überblick verloren und erst jetzt von dieser Steuervergünstigung erfahren, muss das Finanzamt die höheren Pflegekosten noch nachträglich berücksichtigen. Sie legen Einspruch gegen den Steuerbescheid ein, obwohl er rechtskräftig ist, und beantragen >>Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<<.
Mit dem Antrag auf >>Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<< werden Sie so gestellt, als sei die Rechtsmittelfrist für Ihre alten Steuerbescheide noch nicht abgelaufen (§ 110 AO). Von dieser Möglichkeit können also auch alle diejenigen profitieren, die einen Einkommensteuerbescheid erhalten haben, in dem anstelle der tatsächlichen Pflegekosten nur der Behinderten-Pauschbetrag von 7.400 € (Wert ab 2021) berücksichtigt worden ist.