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Anlage Außergew. Belastungen
Zusammenfassung / Begriff
Pflegekosten, die dem Steuerpflichtigen infolge eigener Pflegebedürftigkeit entstehen, sind regelmäßig als außergewöhnliche Belastungen - als Krankheitskosten - abzugsfähig (§ 33 EStG). Dasselbe gilt für Aufwendungen wegen Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen, wenn eine rechtliche, tatsächliche oder sittliche Zwangsläufigkeit besteht. Hier kommt zusätzlich der Pflege-Pauschbetrag in Betracht (§ 33b Abs. 6 EStG).
Pflegebedürftigkeit liegt vor bei Pflegegrad von 1 bis 5 oder einer Behinderung mit Merkzeichen "H" (hilflos) oder "BL" (Blind) im Behindertenausweis (BFH Urteil v. 9.12.2010 - VI R 14/09, BFH/NV 2011 S. 892). Pflegebedürftigkeit kann auch durch ein fachärztliches Gutachten erbracht werden (BFH Urteil vom 13.10.2010-VI R 38/09).
Pflege- und Betreuungsleistungen sind außerdem - bei fehlender Pflegebedürftigkeit - im Rahmen der haushaltsnahen Aufwendungen begünstigt (§ 35a EStG).
Ein Pflegegrad wird durch ein Gutachten bzw. eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung festgestellt.
Für die Einstufung in den Pflegegrad 1 - Grad bei geringer Pflegebedürftigkeit - ist Voraussetzung, dass für mindestens 6 Monate die Selbständigkeit des Versicherten und seine Fähigkeiten - zumindest gering - beeinträchtigt sind. Eine geringe Beeinträchtigung liegt z. B. vor, wenn der Versicherte fremde Hilfe benötigt
Dabei werden u. A. motorische Fähigkeiten geprüft: Nackengriff; Schürzengriff; grobe Kraft; Feinmotorik; Faustschluss; Pinzettengriff; Besteck greifen, halten und betätigen; Glas oder Tasse zum Mund führen. Ferner Stehen und Gehen, Aufstehen aus sitzender Position, Hinlegen ins Bett, Aufstehen aus dem Bett, Überwinden einzelner Stufen, Treppensteigen.
Eine Chance auf Pflegegrad 1 hat nur, wer diesbezüglich Einschränkungen hat.
♦ Aufwendungen im Pflegeheim
Die Aufwendungen für eine Unterbringung im Pflegeheim wegen Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad 1-5) sind wie Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abzugsfähig. Zu den abzugsfähigen Aufwendungen gehören sowohl die Kosten für medizinische Leistungen und Pflege als auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn die Einrichtung ein Heim i. S. des Heimgesetzes ist.
Das Finanzamt kürzt die Pflegekosten indessen um die Haushaltsersparnis (BFH Urteil vom 4.10.2017 – VI R 22/16) und um die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG).
Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen Pflegekosten für den Steuerzahler selbst oder solchen für den Ehepartner oder für ein eigenes Kind, das etwa im Heim gepflegt wird. |
♦ Die leidige Haushaltsersparnis
Das Finanzamt kürzt bei Unterbringung in einem Pflegeheim die abzugsfähigen Pflegekosten um eine sog. Haushaltsersparnis. Die Haushaltsersparnis entspricht dem Grundfreibetrag gem. § 32a EStG von 10.347 € (Wert für 2022). Die Kürzung wird aber nur vorgenommen, wenn im Zusammenhang mit der Heimunterbringung der eigene Haushalt aufgelöst wird.
Sind beide Ehepartner - pflegebedingt - in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht, ist für jeden der Ehepartner eine Haushaltsersparnis anzusetzen.
Dies bedeutet im Umkehrschluss: Die abzugsfähigen Heimkosten dürfen nicht um eine Haushaltsersparnis gekürzt werden, solange der Pflegebedürftige seinen Haushalt beibehält. Denn in diesem Fall hat er weiterhin Fixkosten des Haushalts, wie Miete, Grundgebühr für Strom, Wasser usw.. Eine allgemeingültige zeitliche Begrenzung gibt es hierfür nicht (BFH Urteil vom 10.08.1990 - III R 2/86).
Übrigens: Die Wohnung wird auch dann beibehalten, wenn sie vom Ehepartner, der nicht im Heim lebt, weiter bewohnt wird.
Berechnungsbeispiel: Der Gesamtbetrag der Einkünfte des Steuerpflichtigen (Pflegeperson) beträgt 30.000 €, entscheidend für die Höhe der zumutbaren Belastung.
Gesamtkosten für die Unterbringung im Pflegeheim | 38.000 € | |
- Erstattung durch die Pflegeversicherung | 17.000 € | |
Verbleibende Pflegekosten | 21.000 € | > 21.000 € |
- Haushaltsersparnis (Grundfreibetrag für 2022) | - 10.347 € | |
Verbleiben | 10.653 € | |
- Zumutbare Belastung: 5 % von 15.340 € = 767 €
6 % von 14.660 € = 879 € Summe 30.000 € 1.646 € |
- 1.646 € | |
Außergewöhnliche Belastungen (Kosten im Pflegeheim) | 9.007 € |
Haben Sie Ihre Wohnung aufgegeben und sind im Pflegeheim, können Sie die gesamten Kosten einschließlich Unterbringung und Verpflegung bei der Steuer als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Zu den abzugsfähigen Kosten gehören auch die Kosten für Unterbringung und Verpflegung, wenn die Einrichtung ein Heim i. S. des Heimgesetzes ist.
Zusätzlich ist eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Aufwendungen möglich.
♦ Außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG)
Die Aufwendungen werden als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, wenn Sie pflegebedürftig sind. Eine Pflegebedürftigkeit liegt bereits vor bei Pflegegrad 1.
Als außergewöhnliche Belastungen zählt zunächst der Unterschied zwischen den Kosten im Heim und der Leistung durch die Pflegeversicherung. Im Schnitt kostet ein Heimaufenthalt bei Pflegegrad 4 oder 5 monatlich etwa 3.500 €. Die Pflegeversicherung übernimmt bei Pflegegrad 4 im Monat 1.775 €, bei Pflegegrad 5 im Monat 2.005 €.
Wenn ein Heimbewohner die restlichen Pflegekosten nicht aufbringen kann, springt die Sozialhilfe ein. Dazu eine gute Nachricht zum Elternunterhalt: Eltern müssen in der Regel nicht befürchten, dass das Sozialamt ihre Kinder zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Kinder müssen sich erst ab einem Bruttojahreseinkommen von 100.000 € an den Pflegekosten der Eltern beteiligen (§ 94 Abs. 1a SGB XII).
Zu den absetzbaren Kosten gehören auch die Kosten für Unterbringung und Verpflegung, wenn die Einrichtung ein Heim i. S. des Heimgesetzes ist.
Das Heimgesetz und die dazu ergangenen Rechtsverordnungen regeln die Einhaltung von Mindeststandards betr. Vertragsgestaltung, die Ausstattung mit Personal, bauliche Normen usw.
Erfüllt das Pflegeheim die Anforderungen i. S. des Heimgesetzes nicht, gelten die Regelungen für die häusliche Pflege. Die Aufwendungen für Unterbringung und Verpflegung zählen dann nicht zu den außergewöhnlichen Belastungen. Dies trifft häufig für Seniorenstifte oder betreutes Wohnen zu.
♦ Haushaltsnahe Aufwendungen (§ 35a EStG)
Auch bei Heimunterbringung können haushaltsnahe Aufwendungen anfallen, eine Steuerermäßigung, die direkt von der Steuer abgezogen wird (§ 35a Abs. 2 Satz 2 EStG).
Hier gilt es zu unterscheiden:
Diese Aufwendungen werden in Zeile 37 der Anlage Außergew. Belastungen eingetragen. Die Aufwendungen muss die Heimleitung bescheinigen.
Einzutragen sind die bescheinigten übrigen haushaltsnahen Pflegeleistungen und die in den Heimunterbringungskosten enthaltenen Aufwendungen für Dienstleistungen, die denen einer Haushaltshilfe vergleichbar sind.
Zu den begünstigten haushaltsnahen Dienstleistungen in einem Pflegeheim gehören u. a. die Hausmeisterarbeiten, die Gartenpflege sowie kleinere Reparaturen, die Dienstleistungen des Haus- und Etagenpersonals sowie die Reinigung der Gemeinschaftsflächen, wie Flure, Treppenhäuser und Gemeinschaftsräume (BFH-Urteil vom 29.1.2009, BStBl 2010 II S. 166), ferner Wartung und Unterhalt des Gebäudes (Handwerkerleistungen), Personalkosten für Reinigung, Müllentsorgung, Wäscheversorgung etc. Neuerdings auch die Kosten für ein Notrufsystem (BFH 3. 9. 2015, VI R 18/14).
Aufwendungen für die Zubereitung von Mahlzeiten in der hauseigenen Küche eines Alten(wohn)heims, Pflegeheims oder Wohnstifts und das Servieren der Speisen in dem zur Gemeinschaftsfläche rechnenden Speisesaal sind ebenfalls als haushaltsnahe Dienstleistungen begünstigt. Die Tätigkeit von Haus- und Etagenpersonal, dessen Aufgabe neben der Betreuung des Bewohners noch zusätzlich in der Begleitung des Steuerpflichtigen, dem Empfang von Besuchern und der Erledigung kleiner Botengänge besteht, ist grundsätzlich den haushaltsnahen Dienstleistungen zuzurechnen.
Die Steuerermäßigung beträgt 20 % der bescheinigten Aufwendungen (§ 35a Abs. 2 EStG / BMF, 9.11.2016, IV C 8 - S 2296 - b/07/10003 :008 / Tz 32), einzutragen in Zeile 37. Sie können auch noch die vom Heim bescheinigten Handwerkerleistungen in Zeile 38 eintragen.
Ihre individuellen haushaltsnahen Aufwendungen (z.B. Reinigung des Appartements, Pflege- oder Handwerkerleistungen in Ihrem Appartement) tragen Sie in die Anlage Haushaltsnahe Aufwendungen ein.
Dazu ist erforderlich, dass Sie im Pflegeheim einen abgeschlossenen Haushalt unterhalten. Ein Haushalt in einem Heim ist gegeben, wenn die Räumlichkeiten der Ausstattung nach für eine Haushaltsführung geeignet sind (Bad, Küche, Wohn- und Schlafbereich), individuell genutzt werden können (Abschließbarkeit) und eine eigene Wirtschaftsführung des Steuerpflichtigen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird.
Für die in der Gesamtabrechnung des Pflegeheims enthaltenen Aufwendungen und die nach § 35a EStG zusätzlich als haushaltsnah geltenden Aufwendungen benötigen Sie eine Bescheinigung des Pflegeheims. Darin werden aufgelistet die auf die Heimbewohner jeweils entfallenden Kosten.
⇒ Praktischer Fall
Heinz Huber ist pflegebedürftig mit Pflegegrad 3, hat deswegen seine Wohnung aufgegeben und lebt seitdem in einem Pflegeheim i. S. des Heimgesetzes. Das Heimgesetz sieht zum Schutz der Bewohner die Einhaltung von bestimmten Standards vor.
Der Pflegeheimvertrag
Der von Heinz Huber mit dem Heim abgeschlossene Pflegeheimvertrag regelt die Vermietung des Zimmers / eines bestehenden Apartments einschließlich Verpflegung. Der Vertrag beinhaltet auch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen sowie allgemeine altengerechte Grundbetreuung über 24 Stunden am Tag (z.B. Therapieangebote, ständige Notrufbereitschaft, gelegentliche Hausmeistertätigkeiten, Vermittlung ärztlicher Versorgung, Grundpflege im Apartment bei leichten vorübergehenden Erkrankungen im Jahr).
Im Heimvertrag ist vorgesehen, dass alle Leistungen in einem Gesamtpaket abgerechnet werden.
Für die im Gesamtpaket enthaltenen Kosten für begünstigte haushaltsnahe Dienst- und Handwerkerleistungen kann eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Anspruch genommen werden.
Einkünfte
Heinz Huber kann die Pflegekosten weitgehend aus eigenen Einkünften aufbringen. Der Gesamtbetrag seiner Einkünfte - aus Vermietung und Verpachtung - beträgt 30.000 €.
Weil Herr Huber seine Wohnung aufgegeben hat, ist von seinen Aufwendungen eine Haushaltsersparnis abzuziehen. Die Haushaltsersparnis entspricht dem Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 EStG) und beträgt 10.346 € / Wert für 2022).
Heinz Huber wird zugemutet, dass er einen Teil der Kosten für außergewöhnliche Belastungen selbst trägt (zumutbare Belastung) .
Die zumutbare Belastung berechnet das Finanzamt nach einem bestimmten Prozentsatz vom Gesamtbetrag der Einkünfte. Der Prozentsatz liegt je nach Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte, des Familienstandes und der Zahl der Kinder zwischen 1 % und 7 % (§ 33 Abs. 3 EStG).
Tabelle für die zumutbare Belastung
Der Gesamtbetrag der Einkünfte des Herrn Huber beträgt 30.000 €
Gesamtbetrag der Einkünfte in Euro | Bis 15.340 € | 15.340 bis 51.130 € | Ab 51.130 € |
Steuerpflichtige ohne Kinder, Steuer nach | |||
a) § 32a Abs. 1 EStG (Grundtabelle) | 5 % | 6 % | 7 % |
b) § 32a Abs. 5 oder 6 EStG (Splittingtabelle.) | 4 % | 5 % | 6 % |
Stpfl. mit einem Kind oder zwei Kindern | 2 % | 3 % | 4 % |
Stpfl. mit drei oder mehr Kindern | 1 % | 1 % | 2 % |
des Gesamtbetrags der Einkünfte |
Heinz Huber trägt ein die Gesamtkosten von 38.000 € und die Erstattung durch die Pflegeversicherung und Krankenkasse von 17.000 €
Anlage Außergew. Belastungen Formular für 2022
Über die Kosten lt. Zeile 37 ist eine Bescheinigung des Pflegeheims beizufügen. Diese Kosten berücksichtigt das Finanzamt indessen lediglich in Höhe der zumutbaren Belastung. Zugleich dürfen diese Kosten nicht noch einmal als haushaltsnahe Aufwendungen geltend gemacht werden, da sie durch Eintragung in Zeile 37 als haushaltsnahe Aufwendungen geltend gemacht sind.
Zusätzliche individuelle haushaltsnahe Aufwendungen innerhalb seines Appartements macht Heinz Huber in der Anlage 35a geltend.
Anlage 35a / haushaltsnahe Aufwendungen
Für die Angaben in der Zeile 32 Anlage Außergewöhnliche Belastungen macht Heinz Huber folgende Rechnung auf:
Gesamtkosten für die Unterbringung im Pflegeheim | 38.000 € | |
- Erstattung Pflegeversicherung | 17.000 € | |
Verbleibende Pflegeheimkosten | 21.000 € | 21.000 € |
- Haushaltsersparnis (Grundfreibetrag 2022) | - 10.346 € | |
Belastungen | 10.654 € | |
Von diesen Aufwendungen zieht das Finanzamt noch die zumutbare Belastung ab. | ||
Zumutbare Belastung: 5 % von 15.340 € = 767 € 6 % von 14.660 € = 879 € Summe 30.000 € 1.646 € |
- 1.646 € | |
Außergewöhnliche Belastungen | 9.008 € |
♦ Wie hoch ist die Steuerersparnis für Heinz Huber?
Die Steuerersparnis besteht aus der Minderung des Einkommens durch außergewöhnliche Belastungen und aus einer Steuerermäßigung wegen haushaltsnaher Aufwendungen.
Bei einem Steuersatz von 30 % beträgt die Steuerersparnis (Außergewöhnliche Belastungen 9.008 x 30 % =) 2.702 €.
Beantragt 12.000 €, höchstens zumutbare Belastung 1.646 €
Zusammen 4.446 €
Davon 20 % = 890 €