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1.0.0 A u ß e r g e w ö h n l i c h e B e l a s t u n g e n A l l g e m e i n Zeile 4-36

Anlage Außergew. Belastungen

Zusammenfassung / Begriff

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Durch den Abzug außergewöhnlicher Belastungen ist die steuerliche Berücksichtigung solcher Aufwendungen vorgesehen, die ihrer Art nach einen außergewöhnlichen Charakter aufweisen und die Steuerbürger über Gebühr belasten. Zweck der Vorschrift ist eine Steuerentlastung für bestimmte zwangsläufige Aufwendungen, die die Leistungsfähigkeit der Steuerbürger einschränken.

Anlage Außergewöhnliche Belastungen

♦   Zumutbare Belastung

Damit Gesundheitskosten wirklich zu einer Steuerersparnis führen, müssen die Kosten einen bestimmten Eigenanteil überschreiten, den jeder tragen muss. 

Dazu werden die Aufwendungen um eine sog. zumutbare Belastung gekürzt (§ 33 Abs. 3 EStG). Das Finanzamt berechnet die zumutbare Belastung automatisch. Es berücksichtigt dabei Ihre familiären Verhältnisse und die Höhe Ihrer Einkünfte.

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Wichtig

Außergewöhnliche Belastungen sind private Ausgaben, die zwangsläufig angefallen sind. Ausgaben sind zwangsläufig angefallen, wenn sie aus „rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen“ unausweichlich sind. Sie müssen also notwendig und unumgänglich sein (§ 33 Abs. 2 EStG). 

Private Ausgaben dürfen zwar nicht vom Einkommen abgezogen werden, außergewöhnliche Belastungen sind aber von diesem Abzugsverbot ausdrücklich ausgenommen (§ 12 Satz 1 EStG).

♦   Was bedeutet zwangsläufig?

Die Aufwendungen müssen zwangsläufig erwachsen. Die Gründe dafür können sein (§ 33 Abs. 2 EStG):Zwangsläufig aus

  1. tatsächlichen Gründen, z. B. Krankheitskosten, Pflegekosten, Ersatz von Hausrat durch Feuer oder Diebstahl, Kosten durch eine Naturkatastrophe.
  2. rechtlichen Gründen, z. B. Schadenersatz, Unterhaltskosten für unterhaltsberechtigte Personen oder wenn ein Erbe die Bestattungskosten bestreiten muss.
  3. sittlichen Gründen (praktisch selten), z. B. wenn Sie Pflegekosten für einen Nichtangehörigen haben, weil Sie sich zum Unterhalt verpflichtet fühlen.

Übersicht: Kosten, die zwangsläufig anfallen können

Art der Aufwendungen Abzugsfähigkeit  Zeile
Behinderung Pauschbeträge oder tatsächliche Kosten Zeile-9, 17-18
Pflegebedürftigkeit  Pauschbeträge oder tatsächliche Kosten  Zeile 11-16, Zeile 32
Krankheit Tatsächliche Kosten Zeile 31
Bestattung von Angehörigen Tatsächliche Kosten  Zeile 34
Unwetterschäden Tatsächliche Kosten  Zeile 35

♦   Wann abzugsfähig?

Es gilt das sogenannte Zu- und Abflussprinzip nach § 11 EStG. Danach sind Ausgaben für das Jahr abzuziehen, in dem sie geleistet worden sind. Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen sind also im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen. 

  • Ausnahme: Verteilung auf fünf Jahre

Das Finanzgericht des Saarlandes  hält in extremen Fällen eine Billigkeitsregelung dahingehend für angemessen, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Wohngebäudes mit Umbaukosten in Höhe von 135.143 € auf maximal fünf Jahre verteilen kann (FG des Saarlandes Gerichtsbescheid vom 06.08.2013 - 1 K 1308/12).

Werden Ihnen Aufwendungen von dritter Seite ganz oder teilweise erstattet, sind die Aufwendungen insoweit kürzen. Es geht dabei um Versicherungsleistungen, Beihilfen, Unterstützungen oder um den Wert des Nachlasses, der bei Bestattungskosten zu berücksichtigen ist. 

Zu erwartende Erstattungen

Das Zu und Abflussprinzip wird aus praktischen Gründen durchbrochen, indem zu erwartende Erstattungen, die im nächsten Jahr vereinnahmt werden, bereits mit den Aufwendungen im laufenden Jahr zu verrechnen sind (BFH Urteil vom 30.06.1999, III R 8/95). 

♦  Das Argument mit dem Gegenwert

Als außergewöhnliche Belastungen kommen nur Aufwendungen in Betracht, die gewissermaßen „verlorenen Aufwand”  darstellen (Gegenwerttheorie / BVerfG Beschluss vom 13.12.1966 - 1 BvR 512/65). Wer für seine Aufwendungen einen Gegenwert erhält, ist somit nicht belastet.

Da stellt sich gleich die Frage: Stellt die erlangte Gesundheit nach erfolgreicher ärztlicher Behandlung einen Gegenwert dar. Wenn ja, dürften Krankheitskosten nicht abzugsfähig sein. Hier kommt indessen ein anderes Argument zum Zuge. Es werden mit den Aufwendungen lediglich die >>Erstlingsgaben / Erstausstattung der Natur<< wiedererlangt. Erlangte Gesundheit ist kein Gegenwert für Krankheitskosten, sondern die Wiederherstellung eines natürlichen Zustandes. 

  • Brille und Hörgerät ja, Hausrat nein

Ebenso verhält es sich, wenn Sie eine Brille oder ein Hörgerät erworben haben. Mit Brille oder Hörgerät wird lediglich der Verlust der >>Erstlingsgaben / Erstausstattung der Natur<< ausgeglichen.

Ein junges Paar, das sich Hausrat anschafft, kann die Kosten dafür indessen nicht abziehen, obwohl diese zwangsläufig entstanden sind, weil es für seine Aufwendungen ja einen Gegenwert erhält (BVerfG Beschluss vom 13.12.1966 - 1 BvR 512/65).

♦   Musterfall Krankheitskosten

Welche außergewöhnlichen Belastungen haben die Eheleute Muster?

Frau Muster war mehrere Wochen krank. Der Krankenhausaufenthalt hat insgesamt 4.750 € gekostet. Davon hat die Krankenkasse nur 3.400 € bezahlt. Ferner hat Frau Muster von ihrem Arbeitgeber eine steuerfreie Unterstützung von 250 € erhalten. Die Eheleute Muster tragen in der Zeile 31 sowohl die Krankheitskosten als auch die Summe der erstatteten Beträge ein. Sie wissen, dass die verbleibenden Kosten von 1.100 € nicht in voller Höhe berücksichtigt, sondern vom Finanzamt um die sog. zumutbare Belastung gekürzt werden.

Anlage Außergewöhnliche Belastungen Formular für 2022

♦   Menschen mit Behinderung / Pflegekosten

Behinderten Menschen will der Gesetzgeber durch Abzüge bei der Steuer das Leben erleichtern. Die entsprechenden Anträge sind an unterschiedlicher Stelle in den Formularen geltend zu machen. Hier zunächst eine

Übersicht

Behinderten-Pauschbetrag  Zeile 4-6
Pflege-Pauschbetrag Zeile 11-16
Behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale  Zeile 17-18
Krankheitskosten  Zeile 19-21
Pflegekosten (häusliche Pflege, Heimunterbringung) Zeile 22-24
Behinderungsbedingte Kosten, Umbaukosten Zeile 25-27