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6.0 Zwangsmittel im Veranlagungsverfahren: Verspätungszuschläge etc.

Einkommensteuererklärung

Zusammenfassung / Begriff

Das Finanzamt kann die Abgabe einer Steuererklärung erzwingen. Als Zwangsmittel kann  das Finanzamt Verspätungszuschläge und Zwangsgelder festsetzen oder unmittelbaren Zwang / Beugehaft anwenden. Auch die freie Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gilt als Zwangsmittel (§ 328 Abs. 1 AO) 

♦   Verspätungszuschlag

Wer den Abgabetermin für die Einkommensteuererklärung verpasst, muss unter Umständen mit Verspätungszuschlägen rechnen (§ 152 AO). Die Zuschläge betragen für jeden angebrochenen Monat nach Abgabetermin 0.25 % der vom Finanzamt festgesetzten Steuer - also nicht der nachzuzahlenden Steuer - , mindestens aber 25 € pro Monat. Wer also um ein halbes Jahr (sechs Monate) verspätet abgibt, muss mit mindestens (25 € x 6 Monate =) 150 € Verspätungszuschlag rechnen.

Das Gesetz stellt die Festsetzung eines Verspätungszuschlages grundsätzlich in das Ermessen des Finanzamts. Festsetzungen erfolgen insbesondere dann, wenn Erklärungspflichten wiederholt verletzt wurden.

Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlages soll das Finanzamt absehen, wenn der Erklärungspflichtige glaubhaft macht, dass die Verspätung entschuldbar ist. Die Feststellungslast für Entschuldigungsgründe liegt ausdrücklich beim Steuerpflichtigen.

Zunächst wird der Steuerpflichtige nur angemahnt: Er wird aufgefordert, die Steuererklärung innerhalb von vier Wochen einzureichen, andernfalls könnte ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden.

  • Kein Ermessen/ automatische Festsetzung

§ 152 Abs. 2 AO benennt indessen Fallgestaltungen, bei denen ein Verspätungszuschlag nicht mehr im Ermessen des Finanzamts liegt, sondern zwingend festgesetzt werden muss. Das ist der Fall, wenn Steuererklärungen nicht innerhalb von 14 Monaten nach Ablauf des Veranlagungsjahres abgegeben wurden. Dies gilt gleichermaßen für Steuerpflichtige mit oder ohne steuerliche Beratung.

Ausnahmen von der zwingenden Festsetzung sind in § 152 Abs. 3 AO genannt. Demnach ist ein Verspätungszuschlag nicht zwingend festzusetzen, wenn eine Fristverlängerung gewährt wurde, die Steuer auf 0 € festgesetzt wird oder es zu einer Erstattung kommt.

  •  Höhe des Verspätungszuschlages

Der Verspätungszuschlag beträgt grundsätzlich 0,25 % für jeden angefangenen Monat der Verspätung der festgesetzten Steuer (mindestens jedoch 25 € für jeden angefangenen Monat der Verspätung (§ 152 Abs. 5 AO). Der Verspätungszuschlag darf höchstens 25.000 € betragen (§ 152 Abs. 10 AO).

  • Praktischer Fall

Heribert Muster lässt seine Einkommensteuererklärung durch einen Angehörigen der Steuerberatenden Berufe / Steuerberater abgeben. Die Unterlagen für die Steuererklärung 2023  gehen im Steuerbüro erst am 10.3.2025 ein, ohne dass dafür besondere Gründe genannt werden.

Der Steuerberater übermittelt am 10.5.2025 die Daten für die Steuererklärung an das Finanzamt. Damit ist die Steuererklärung verspätet abgegeben worden, denn die Abgabefrist für die Steuererklärung 2023 endet - für Steuerberater verlängert - mit Ablauf des Monats Februar 2025 (§ 152 Abs. 1 und 2 AO). 

Der Einkommensteuer-Bescheid für den Veranlagungszeitraum 2023 mit einer festgesetzten Einkommensteuer i. H. v. 200.000 € wird dem Steuerberater am 10.6.2025 per E-Mail übermittelt.

Die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2023 ist im Juni 2025 festgesetzt worden. Danach sind als Verspätungszuschlag 0,25 % der Steuer i. H. v. 200.000 € für 3 Monate (März, April, Mai 2025) festzusetzen.

Ein Ausnahmetatbestand des § 152 Abs. 3 AO ist nicht ersichtlich, insbesondere wurde die Frist für die Abgabe der Steuererklärung wurde nicht nach § 109 verlängert, Steuer nicht auf null Euro oder auf einen negativen Betrag festgesetzt, die festgesetzte Steuer übersteigt nicht die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge.

Der Verspätungszuschlag beträgt (200.000 € x 0.25 % = 500 € x 3 Monate =) insgesamt 1.500 €.

♦   Zwangsgelder 

Wenn die Androhung eines Verspätungszuschlages nicht zum gewünschten Erfolg führt, kann die Abgabe einer Einkommensteuererklärung gegebenenfalls durch Festsetzung eines Zwangsgeldes erzwungen werden (§ 328 AO). Dann gesellt sich zum Verspätungszuschlag - nach vorheriger Warnung - ein Zwangsgeld, das das Finanzamt nach eigenem Ermessen festsetzen kann. 

Erste Maßnahme: Wer nicht innerhalb der gesetzten Frist die Steuererklärung abgibt, wird nochmals aufgefordert, die Steuererklärung innerhalb von vier Wochen einzureichen, andernfalls würde zusätzlich zum Verspätungszuschlag ein Zwangsgeld festgesetzt.

Wird die Steuererklärung nicht innerhalb von vier Wochen abgegeben, wird das angedrohte Zwangsgeld festgesetzt und ein weiteres, meistens in doppelter Höhe als vorher, angedroht.

  •  Details zum Zwangsgeld

Ein Zwangsgeld ist wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 328 Abs. 2 AO) das wichtigste  Zwangsmittel. Zwangsmaßnahmen sind keine Strafen, sondern in die Zukunft wirkende Beugemittel.

Das Zwangsverfahren soll nur durchgeführt werden, wenn auf die Erfüllung einer steuerlichen Verpflichtung (z. B. Abgabe einer Steuererklärung) im Einzelfall wegen ihrer Bedeutung nicht verzichtet werden kann. Nach Einführung des maschinellen Zwangsgeldverfahrens  ist grundsätzlich zunächst – vor einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen – ein Zwangsgeldverfahren durchzuführen, um den Steuerpflichtigen zur Abgabe der Steuererklärung zu bewegen. Die Androhung des Zwangsgeldes sollte unmittelbar nach erfolglosem Ablauf der im Erinnerungsschreiben gesetzten Frist erfolgen. Daneben ist es im Einzelfall zulässig, vor oder parallel zur Schätzung eine weitere Zwangsgeldandrohung und -festsetzung mit höheren Beträgen durchzuführen.

Es ist zulässig, Zwangsgeld auch dann noch anzudrohen und festzusetzen, wenn die Besteuerungsgrundlagen bereits geschätzt worden sind, da auch dann die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung bestehen bleibt (§ 149 Abs. 1 Satz 4 AO).

Mit der Einleitung eines Zwangsgeldverfahrens wegen Nichtabgabe von Jahressteuererklärungen soll rechtzeitig begonnen werden, damit der Eingang der Erklärungen noch vor Abschluss der Veranlagung erreicht wird (LfSt Bayern, 26.2.2020, S 0560.2.1 - 1/16 St43). 

♦   Beugehaft

Ist das festgesetzte Zwangsgeld uneinbringlich und hat der Verpflichtete die zu erzwingende Handlung / Abgabe der Steuererklärung nicht vorgenommen, kann ein Amtsgericht auf Antrag der Finanzbehörde nach Anhörung des Pflichtigen Beugehaft anordnen, wenn bei Androhung des Zwangsgeldes darauf hingewiesen wurde (§ 334 Abs. 1 AO).

Uneinbringlich ist das festgesetzte Zwangsgeld, wenn die Vollstreckung nach §§ 249 ff. AO ohne Erfolg geblieben oder wenn anzunehmen ist, dass sie aussichtslos sein würde, z.B. wenn Ermittlungen des Vollstreckungsbeamten dies ergeben haben. Es sind alle Vollstreckungsmöglichkeiten – auch in das unbewegliche Vermögen sowie Forderungen und andere Vermögensrechte – zu nutzen. Die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen dürfte jedoch im Regelfall nicht in Betracht kommen, weil

1. wenn das festgesetzte Zwangsgeld den Mindestbetrag des § 866 Abs. 3 ZPO für eine Sicherungshypothek (750 Euro) nicht überschreitet

    oder

2. weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel (Verhältnis der Höhe des Zwangsgeldes zum Wert des Grundstückes) eine Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen nicht zulässt (OFD Magdeburg, 21.5.2014, S 0560 - 6 - St 313a/S 0560 - 6 - St 251)

♦  Schätzungsbescheid

Hat das Finanzamt seine gesetzlichen Zwangsmittel ausgeschöpft, ergeht danach meistens ein Schätzungsbescheid mit der Festsetzung der aus den geschätzten Besteuerungsgrundlagen resultierenden Steuern nebst Nachzahlungszinsen (§ 162 AO). Zugleich werden die festgesetzten Verspätungszuschläge und die festgesetzten Zwangsgelder als Nebenleistungen zum Soll gestellt.

Dieser Schätzungsbescheid wird nach vier Wochen bestandskräftig. Die festgesetzten Steuern, die Verspätungszuschläge, die Nachzahlungszinsen und die Zwangsgelder können nun verwaltungsintern beigetrieben werden, d. h. die Rückstände gehen in die Zwangsvollstreckung.

Wichtig: Gegen den Schätzungsbescheid sollte innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch eingelegt werden, ansonsten wird der Bescheid bestandskräftig und die festgesetzten Steuern können beigetrieben werden. Ein Einspruch gegen den Schätzungsbescheid kann nur durch Abgabe der ausstehenden Steuererklärung wirksam begründet werden. Andernfalls kommt es zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Steuerpflichtigen. Was bedeutet das?

♦   Zwangsvollstreckung

Die Finanzämter können rückständige Steuern im Verwaltungswege selbst beitreiben / vollstrecken (§ 249 AO), d. h. Steuern und Nebenleistungen mit eigenem Personal (Vollziehungsbeamten) einziehen. Dazu ist im Finanzamt eine sog. Vollstreckungsstelle eingerichtet. Die Vollstreckung darf beginnen, wenn die Leistung fällig und seit der nochmaligen Aufforderung zur Zahlung mindestens eine Woche verstrichen ist (§ 254 AO). Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung (§ 281 AO). Der Vollstreckung unterliegen auch Grundstücke des Vollstreckungsschuldners (§ 322 AO).

  • Was darf der Vollziehungsbeamte?

Beamte, die in der Vollstreckungsstelle tätig sind, werden Vollziehungsbeamte genannt. Sachen, die im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners sind, pfändet der Vollziehungsbeamte dadurch, dass er sie in Besitz nimmt (§ 286 AO).

Der Vollziehungsbeamte ist befugt, die Wohn- und Geschäftsräume sowie die Behältnisse des Vollstreckungsschuldners zu durchsuchen, soweit dies der Zweck der Vollstreckung erfordert. Er ist befugt, verschlossene Türen und Behältnisse öffnen zu lassen. Wenn er Widerstand findet, kann er Gewalt anwenden und hierzu um Unterstützung durch Polizeibeamte nachsuchen.

Die Wohn- und Geschäftsräume des Vollstreckungsschuldners dürfen ohne dessen Einwilligung nur auf Grund einer richterlichen Anordnung durchsucht werden. Dies gilt nicht, wenn die Einholung der Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (§ 287 AO).