Aktuelle Seite: Startseite > Inhalt > 14 Anlage KAP / Kapitalerträge > 2.1.1 Zeile 7, 15 Praktischer Fall: Veräußerung von Investment-Anteilen
Steuern? Mach ich selbst.
Anleger Heribert Muster hat am 17.01.2020 sein Fondsinvestment aufgelöst und damit alle seine Fondsanteile verkauft. Das Fondsinvestment umfasst 100 Anteile am XY-Fonds World, einem in Deutschland aufgelegten Aktienfonds. Muster hat die Anteile am 10.06.2009 erworben. Die Anschaffungskosten betrugen 8.110 €.
Entsprechend der Entwicklung der Aktienkurse in den Jahren nach 2009 konnte Heribert Muster am 17.01.2020 einen Verkaufserlös von 12.510 € erzielen. Rein rechnerisch ergibt sich somit ein Veräußerungsgewinn in Höhe von (Erlös 12.510 – Anschaffungskosten 8.110 € =) 4.400 €.
Diese Beträge tauchen indessen in der Steuerbescheinigung / Verkaufsabrechnung der Depotbank so nicht auf. Der Anleger möchte wissen, ob die Depot-Bank die Veräußerung der Fonds-Anteile korrekt abgerechnet hat.
Die Depotbank hat bei der Abrechnung einige Steuerregeln zu beachten, die sich aus § 56 InvStG ergeben. Das Problem besteht hier darin, dass der Kunde sog. Altbestände veräußert. Das sind Fondsinvestments, die vor der Fonds-Steuerreform 1. Januar 2018 angeschafft wurden.
Um die neuen Regeln ab 2018 einzuleiten gelten alle Fondsanteile am 31.12.2017 als fiktiv verkauft und zugleich am 01.01.2018 als neu angeschafft. Die sich dabei ergebenden Erträge (fiktiver Gewinn oder Verlust) sind von der Depot-Bank gesondert festzustellen. Die Erträge sind auch erst in dem Zeitpunkt zu versteuern, in dem die Alt-Anteile tatsächlich veräußert werden, also hier erst im Jahr 2020.
♦ Freibetrag erst bei der Veranlagung
Dabei wird zum Ausgleich ein Freibetrag bis zu 100.000 € gewährt (§ 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Der Ausgleich ist gerechtfertigt, weil Veräußerungsgewinne vor Einführung der Abgeltungsteuer 1.1.2009 steuerfrei gewesen wären. Der Freibetrag von 100.000 € kann nur im Wege der Veranlagung geltend gemacht werden, wird also bei der Ausschüttung und Berechnung der Abgeltungsteuer nicht berücksichtigt.
♦ Steuerberechnung der Depot-Bank
Steuerberechnung Verkauf 100 Stück Anteile XY-Fonds World am 20.01.2020, Wertpapierkennnummer AOKN 75
Die Depot-Bank muss 3 getrennte Berechnungen vornehmen. Dafür gibt § 8 Abs. 5 InvStG 2004 ein genaues Schema vor.
1. Teilabrechnung 1: Die Depot-Bank muss zunächst das fiktive Veräußerungsergebnis aus den Anschaffungskosten 2009 und dem Wert zum 31.12.2017, dem Stichtag der Fonds-Steuerreform, ermitteln. Das Ergebnis wird intern als "steuerlicher Rucksack" bezeichnet.
2. Teilabrechnung 2: Sodann berechnet die Depot-Bank den Veräußerungsgewinn ab 01.01.2018 bis zur tatsächlichen Veräußerung der Anteile am 20.01.2020.
3. Gesamtabrechnung: Anschließend addiert die Depot-Bank die Veräußerungsergebnisse aus den beiden Teilabrechnungen.
Teilabrechnung 1: Veräußerungsgewinn aus der fiktiven Veräußerung per 31.12.2017 (steuerlicher Rucksack)
Anschaffungskosten Kauf von 100 Stück am 10.06.2009 | 8.110 € |
Erlös aus der fiktiven Veräußerung per 31.12.2017 | 11.810 € |
Fiktives Veräußerungsergebnis per 31.12.2017 | + 3.700 € |
Teilabrechnung 2: Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung vom 20.01.2020
Verkaufserlös (Kurswert abzüglich Nebenkosten) | 12.510 € |
Abzüglich fiktive Anschaffungskosten | 11.810 € |
Veräußerungsergebnis vor Teilfreistellung | + 700 € |
Abzüglich Teilfreistellung 30 % | 210 € |
Veräußerungsergebnis nach Teilfreistellung | + 490 € |
Gesamtergebnis: Zusammenführung der zwei Teilergebnisse
Teilabrechnung 1 (steuerlicher Rucksack) | + 3.700 € |
Teilabrechnung 2 nach Teilfreistellung | + 490 € |
Zu versteuern | 4.190 € |
♦ Abrechnung programmgesteuert
Sollen alle Vorgänge, die das Depot des Kunden betreffen, vollständig erfasst und fehlerfrei berücksichtigt werden, lässt sich das in Praxis nur programmgesteuert bewerkstelligen. Was ist ggfs. zu berücksichtigen?
Tauchen solche Vorgänge in der Steuerabrechnung, erscheint es müßig, diesen Vorgängen auf den Grund zu gehen. Dem Kunden bleibt nichts anderes übrig, als der programmgesteuerten Abrechnung der Depot-Bank zu vertrauen.