Aktuelle Seite: Startseite > Inhalt > 18 Steuerbescheid, Einspruch, Klage > 2.0.7 Revision vor dem Bundesfinanzhof/ Musterprozess
Steuern? Mach ich selbst.
Verfahrensrecht / Abgabenordnung (AO)
Zusammenfassung / Begriff
Ist eine Klage beim Finanzgericht nicht erfolgreich, bleibt die Revision oder die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH). Dies gilt sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für das Finanzamt.
Während jeder Steuerpflichtige selbst beim Finanzgericht eine Klage einreichen kann, besteht vor dem BFH ein sog. Vertretungszwang (§ 62 Abs. 4 FGO) Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe oder einen Rechtsanwalt bevollmächtigen muss, ihn vor dem BFH zu vertreten.
Revision gegen ein Urteil eines Finanzgerichts (FG) kann indessen nur eingelegt werden, wenn das FG oder der BFH – aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde – die Revision zugelassen hat (§ 115 Abs. 1 FGO). Bei einer Nichtzulassungsbeschwerde prüft der BFH selbst, ob er über den Fall entscheiden will.
Gründe des BFH für die Zulassung der Revision sind (§ 115 Abs. 2 FGO):
⇒ Musterprozess: Einer klagt, andere klinken sich ein
Der BFH ist in Steuersachen die letzte Instanz, vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) abgesehen. Deshalb wirken seine Urteile meist über den Einzelfall hinaus, d. h. ein Urteil des BFH ist ein Wegweiser / eine Orientierungshilfe sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Steuerverwaltung. Die Kläger erstreiten nicht nur Vorteile für sich selbst, sondern auch für alle anderen Steuerpflichtigen.
Wer die bereits laufenden Verfahren vor dem BFH kennt, kann sich einklinken und davon profitieren, wenn das Urteil ergangen ist. Denn die Steuerverwaltung wendet Urteile des BFH anschließend in allen anderen ähnlich gelagerten Fällen an, es sei denn, es ist ein sog. Nichtanwendungserlass ergangen. Wer sich nicht einklinkt, geht leer aus.
Finden Sie heraus, ob in Ihrer Streitsache schon ein Musterprozess läuft, in den Sie sich einklinken können. Sich einzuklinken ist einfach und kostet Sie nichts: Sie legen in Ihrer Steuerangelegenheit innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist Einspruch gegen den Steuerbescheid, verweisen - mit Angabe des Aktenzeichens - auf den beim BFH laufenden Fall und beantragen das Ruhen des Verfahrens. So bleibt Ihr Steuerbescheid offen, bis der BFH entschieden hat.
Mit seinen Urteilen interpretiert der BFH das Steuerrecht und klärt grundlegende Rechtsfragen. Bis es zum Urteil kommt, vergeht oft viel Zeit, bis zu 20 Monaten, weil sich die Klagen häufen und die Richter Zeit brauchen, um ein Urteil abgeben zu können.
Handelt es sich um einen sog. Musterprozess, brauchen Sie nichts zu unternehmen. Dann erübrigt sich ein Einspruch, weil die betroffenen Steuerbescheide vom Finanzamt selbst offen gehalten werden, also nicht rechtskräftig werden können. Das sind Verfahren vor dem EuGH, dem BVerfG oder dem BFH.
Dies bedeutet: Solche Bescheide werden automatisch >>offen<< gehalten. Ob Ihr Bescheid dazu gehört, steht auf der Vorderseite des Bescheides.
Der maßgebende Passus lautet: Steuerfestsetzungen sind hinsichtlich folgender Punkte gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm vorläufig vorzunehmen:
In diesem Fall lesen Sie unter Erläuterungen nach, welche Punkte des Steuerbescheids vorläufig sind. Diese Punkte, aber auch nur diese, werden je nach Ausgang des Verfahrens zu Ihren Gunsten geändert.
In diesen Fällen brauchen Sie nichts zu unternehmen.
Andere anhängige Verfahren
In anderen Fällen müssen Sie aktiv werden, indem Sie Einspruch einlegen und dadurch den Bescheid >>offen<< halten. Wenn nun aber bereits ein anderer Steuerzahler in derselben Sache einen Steuerprozess führt, können Sie sich in dieses Verfahren einklinken, indem Sie beim Finanzamt das >>Ruhen des Verfahrens<< nach § 363 AO beantragen. Damit haben Sie dreierlei erreicht:
1. Sie können sich eine aufwendige Begründung sparen;
2. das Finanzamt darf Ihren Einspruch nicht so ohne weiteres unter Hinweis auf die derzeitige Rechtslage abschmettern;
3. Sie können bis zum Abschluss des Verfahrens noch weitere Änderungsanträge stellen, z. B. aufgrund anderer neuer Urteile oder noch Ausgaben nachschieben, die Sie bisher übersehen haben. Denn Ihr Einspruch hält den gesamten Bescheid offen.
♦ Aktuell anhängige Verfahren
Jährlich gehen beim Bundesfinanzhof mehr als 2000 Fälle ein, die entschieden werden müssen.
Ob in Ihrer Steuerangelegenheit ein Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig ist, können Sie feststellen: www.bundesfinanzhof.de/de/anhaengige-verfahren/aktuelle-verfahren/
Dazu geben Sie den entsprechenden Suchbegriff ein.
z. B. Entfernungspauschale oder Kinderfreibeträge
Neueste Urteile des BFH zu einem bestimmten Thema finden Sie, indem Sie den Suchbegriff eingeben, z. B. "Spendenabzug".