Steuern? Mach ich selbst.
Steuerbescheid / Einspruch / Klage
Wichtig
Besteht gegenüber dem Finanzamt ein Anspruch auf Nachzahlung oder Erstattung von Einkommensteuer, setzt das Finanzamt die Steuer grundsätzlich durch Steuerbescheid fest (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Bei periodischen Steuern wie der Einkommensteuer wird die Steuerfestsetzung auch "Veranlagung" genannt. Dafür gibt es einen festen Rahmen:
♦ Die Bekanntgabe
Voraussetzung für einen wirksamen Steuerbescheids ist, dass er demjenigen, für den er bestimmt ist, bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 AO / Name und Anschrift).
Die Wirksamkeit des Steuerbescheides tritt ein drei Tage nach Aufgabe des Bescheides zur Post. Als Tag der Aufgabe zur Post gilt das Datum des Bescheides, wenn es mit dem Datum des Poststempels auf dem Briefumschlag identisch ist.
Ist der dritte Tag ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag, gilt der nächste Werktag als Tag der Bekanntgabe (§ 108 Abs. 3 AO). Wobei der 31. Dezember bei der Fristberechnung nicht einem gesetzlichen Feiertag gleichzustellen ist (BFH Beschluss vom 20.03.2018 - III B 135/17).
Mit dem Steuerbescheid verbunden wird die Aufforderung, den geschuldeten Betrag innerhalb der bestimmten Frist (in der Regel ein Monat) zu entrichten.
Kommt der Bescheid erst nach Ablauf der drei Tage an, gilt er erst dann als bekanntgegeben. Dies muss der Steuerzahler glaubhaft begründen, wenn darum geht, ob rechtzeitig ein Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt worden ist. Widerspricht das Finanzamt, muss es den früheren Zugang des Bescheides beweisen.
Keine Bekanntgabe
Dies gilt auch, wenn der Steuerzahler vorbringt, überhaupt keinen Steuerbescheid erhalten zu haben. Die Beweislast liegt beim Finanzamt, denn im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs zu beweisen (BFH Urteil vom 29.04.2009 - X R 35/08).
Wirkung der Bekanntgabe
Die Bekanntgabe wirkt zunächst zu Ihren Gunsten. Denn das Finanzamt kann den Ihnen bekanntgegebenen / übersandten Steuerbescheid nicht mehr einseitig zu Ihren Ungunsten ändern oder zurücknehmen.
Als Steuerpflichtiger haben Sie dadurch zunächst gegenüber dem Finanzamt eine bessere Position, denn Sie können zu Ihren Gunsten eine Änderung herbeiführen, indem Sie innerhalb eines Monats Einspruch einlegen (§§ 347 ff. AO). Unterlassen sie dies, wird der Steuerbescheid unanfechtbar, d. h. formell bestandskräftig. Er kann jetzt nur noch im Rahmen von bestimmten Korrekturvorschriften geändert werden.
Ab jetzt befinden Sie sich mit dem Finanzamt auf Augenhöhe, d. h. auf derselben Änderungsebene. Sie sind nun ebenfalls auf eine Korrekturvorschrift angewiesen, wenn der Steuerbescheid geändert werden soll.
? Änderung von Steuerbescheiden: Begriff eingeben + Suchen antippen.
♦ Art der Festsetzung
Enthält der Steuerbescheid keinerlei Einschränkungen, ist die Festsetzung in der bekanntgegebenen Art endgültig.
Das Finanzamt kann sich die endgültige Festsetzung der Steuer vorbehalten. Im Steuerbescheid lautet die Passage: Der Steuerbescheid steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO. Damit ist er in vollem Umfang offen, d. h. der Bescheid kann sowohl zu Ihren Gunsten als auch zu Ihren Ungunsten geändert werden. So können Sie z. B. nachträglich noch abzugsfähige Aufwendungen nachschieben und so eine Änderung herbeiführen.
Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist nach § 169 AO von vier Jahren (bei Steuerhinterziehung 10 Jahre) abläuft. Der Vorbehalt kann vorher vom Finanzamt aufgehoben werden. Die Aufhebung ist zwingend nach einer Außenprüfung vorzunehmen.
Wenn ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für einen Steueranspruch vorliegen, z. B. bei ungeklärter Rechtslage, kann die Steuer vorläufig festgesetzt werden (§ 165 AO). Im Steuerbescheid lautet die Passage: Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig.
Im Teil Erläuterungen wird die teilweise Vorläufigkeit konkretisiert. Angegeben wird, welche gesetzlichen Vorschriften noch einer Klärung bedürfen. Sobald die Klärung herbeigeführt worden ist, wird der Steuerbescheid ggfs. automatisch / von Amts wegen geändert. Ein Einspruch ist in diesen Punkten nicht erforderlich.
♦ Formelle Voraussetzungen für den Steuerbescheid
Steuerbescheide werden nur noch programmgesteuert erstellt und sind somit nahezu ausnahmslos formell fehlerfrei. Dennoch sollen die Grundvoraussetzungen für einen wirksamen Steuerbescheid kurz genannt werden:
Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Den Steuerbescheiden ist außerdem eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.
Eine Steuer wird nicht festgesetzt, wenn der Steuerbetrag 25 € nicht übersteigt. Die Festsetzung kann auch über einen Betrag von 25 € hinausgehend unterbleiben, wenn zu erwarten ist, dass
Steuerbescheide werden auf der Grundlage der den Finanzämtern vorliegenden Informationen und den Angaben der Steuerpflichtigen weitgehend automationsgestützt erstellt, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall individuell im Veranlagungsbezirk zu bearbeiten.
Die entsprechende Passage im Steuerbescheid lautet: Die Ergebnisse der Bearbeitung wurden zur elektronischen Übermittlung bereitgestellt. Dieser Festsetzung liegen Ihre (am..... um ...Uhr) in authentifizierter Form übermittelten Daten zugrunde.
Ein Anlass zur individuellen Bearbeitung liegt insbesondere vor, wenn die Steuererklärung nach dem sog. Risiko-Management auffällig erscheint oder der Steuerpflichtige selbst zur Steuererklärung besondere Angaben macht. Im Hauptvordruck Zeile 42 sind dazu Angaben zu machen.
Hauptvordruck
⇒ Steuerbescheid im Detail
Ein Einkommensteuerbescheid besteht aus mehreren Teilen:
♦ Zu Teil 1: Bescheidkopf
So könnte der Bescheidkopf aussehen:
. .
Finanzamt Ibbenbüren 49477 Ibbenbüren 03.06.20…
Veranlagungsbezirk 005 Uphof 10
IdNr. Ehemann / Person A 60 824 723 411 Telefon 05452 / 920-12345
IdNr. Ehefrau / Person B 61 184 913 512 Telefax 0800 100567894
Steuernummer 327/2082/2859
(Bitte bei Rückfragen angeben)
Herrn Karl Hecht Bescheid
Frau Henrieke Hecht für 20... über Einkommensteuer
Emsstr. 29 und Solidaritätszuschlag
48365 Bollerhausen
. .
Die Identifikationsnummer vereint lebenslang alle steuerrelevanten Daten zur Person. Deshalb benutzen auch andere Behörden und Stellen diese Zahl.
Die Steuernummer ändert sich dagegen häufig, etwa bei Umzug und Änderung der Art der Einkünfte. Die vollständige Steuernummer in NRW beginnt mit der 10 (10. Bundesland / diese Ziffern werden indessen unterdrückt). Ausgewiesen werden die Oberfinanzdirektion Münster mit der Ziffer 3 (3. Oberfinanzdirektion in NRW neben den O, das Finanzamt Ibbenbüren mit der Ziffer 27 (27. Finanzamt in der Oberfinanzdirektion (OFD) Münster neben den OFD Düsseldorf und Köln). Die letzte Ziffer ist eine Prüfziffer. Wenn die nicht stimmt, ergeht ein Fehlerhinweis.
An diesem Tag hat das Finanzamt den Bescheid abgeschickt. Grundsätzlich drei Tage später gilt er als bekanntgegeben.
Dies bedeutet: Ein Steuerbescheid gilt als bekanntgegeben am dritten Tag nach Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 AO). Der Tag der Aufgabe zur Post entspricht dem Datum des Bescheides. Ab dann beginnt die Einspruchsfrist von einem Monat zu laufen.
In vorliegenden Fall läuft die Einspruchsfrist ab am (Datum des Bescheides 03.06.20… + drei Tage =) mit Ablauf des 06.07.20.. um 24 Uhr.
Fällt der dritte Tag auf einen Samstag oder Sonntag, gilt er erst am Montag als bekanntgegeben. Entsprechendes gilt, wenn der dritte Tag ein Feiertag ist.
♦ Zu Teil 2: Steuerfestsetzung
Unterschieden wird zwischen der Art der Festsetzung und der eigentlichen Festsetzung.
1. Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO)
Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Der Vorbehalt kann vom Finanzamt aufgehoben oder geändert werden, der Steuerpflichtige seine Aufhebung oder Änderung jederzeit beantragen. Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die vierjährige Festsetzungsfrist abläuft (§ 169 AO).
2. Teilweise vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 AO)
Wenn ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für einen Steueranspruch in Einzelpunkten vorliegen, kann die Steuer teilweise vorläufig festgesetzt werden.
Diese Regelung ist insbesondere anzuwenden, wenn
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären. Die vorläufige Steuerfestsetzung kann mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden. Welche Fälle der Vorläufigkeitsvermerk erfasst, ist im Bescheid unter Erläuterungen anzugeben (schwebende Verfahren).
Beispiel:
Einkommensteuer | Solidaritätszuschlag | Insgesamt | |
Festgesetzt werden Abzug vom Lohn des Ehemanns Verbleibende Beträge |
4.144.00 € 1.414.00 € 2.730.00 € |
227.92 €
227.92 |
2.957.92 € |
Abrechnung Abzurechnen sind bereits vorausgezahlt Demnach zu wenig gezahlt |
2.730 € 2.670 € 60.00 € |
227.92 € 212.00 € 15.92 € |
2.957.92 € 2.882.00 € 75.92 € |
Bitte zahlen Sie bis zum ….. | 60.00 € | 15.92 € | 75.92 € |
♦ Zu Teil 3: Besteuerungsgrundlagen
Die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen entspricht dem Veranlagungsschema (§ 2 EStG).
Mehr dazu: ? Suchen anklicken und den Begriff >Steuergesetze< eintragen.
♦ Zu 4. Erläuterungen / Hinweise
Soweit das Finanzamt von den Angaben in der Steuererklärung abweicht, hat das Finanzamt die Abweichung zu erläutern. Wenn das Finanzamt dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wird der Steuerbescheid erst nach Ablauf eines Jahres rechtskräftig.
Hier in den Erläuterungen erklärt das Finanzamt auch, warum es Ausgaben gekürzt oder Pauschbeträge abgelehnt hat, etwa wenn zu einer Frage bei Gericht ein Verfahren läuft, dessen Urteil das Finanzamt abwartet. Der Bescheid bleibt in dieser Frage über die Einspruchsfrist hinaus offen. Der Bescheid ergeht "vorläufig".
Steht der Bescheid unter dem "Vorbehalt der Nachprüfung", bleibt er für beide Seiten komplett änderbar, solange der Vorbehalt besteht.
♦ Zu 5. Rechtsbehelfsbelehrung
Dem Steuerbescheid ist eine Belehrung darüber beizufügen, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist und bei welcher Behörde er einzulegen ist.
♦ Zu 6. Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung
Der Steuerpflichtige wird aufgefordert: Bitte leisten Sie alle Zahlungen unbar auf das angegebene Konto des Finanzamts. Wenn Sie die Steuern nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages zahlen, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des auf volle 50 € abgerundeten Steuerbetrages zu entrichten.
ʘ 15.06.2021