Steuern? Mach ich selbst.
Verfahrensrecht / Abgabenordnung (AO)
Zusammenfassung / Begriff
Ist ein Steuerbescheid aus Sicht des Steuerpflichtigen rechtswidrig, kann dagegen innerhalb eines Monats kostenfrei Einspruch eingelegt werden. Dabei lassen sich auch Fehler in der Steuererklärung und rechtliche Missverständnisse beseitigen und vergessene Ausgaben nachreichen.
Ohne Einspruch wird der Steuerbescheid unanfechtbar, d. h. formell bestandskräftig. Er kann jetzt nur noch im Rahmen von bestimmten Korrekturvorschriften geändert werden.
Bei einem Einspruch sind die Steuerpflichtigen zunächst im Vorteil, denn das Finanzamt darf einen bekanntgegebenen Steuerbescheid nicht mehr einseitig zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ändern (§ 124 Abs. 2 AO), es sei denn, der Bescheid steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder ist vorläufig ergangen (§ 165 AO).
Steuerpflichtige können indessen im Gegensatz zum Finanzamt nach Bekanntgabe eine Änderung des Steuerbescheides zu ihren Gunsten herbeiführen, indem sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen (§§ 347ff. AO). Erst dann wird der Steuerbescheid bestandskräftig.
Nach Bestandskraft des Steuerbescheides ist der Vorteil der Steuerpflichtigen dahin. Die Steuerpflichtigen sind nun ebenfalls auf eine Korrekturvorschrift angewiesen, wenn der Steuerbescheid geändert werden soll. Es gelten die Korrekturvorschriften nach §§ 172-177 AO, so z. B. bei neuen Tatsachen oder bei Schreib- und Rechenfehlern oder anderer offenbarer Unrichtigkeiten.
Bestandskräftige Steuerbescheide ändert das Finanzamt nur in Ausnahmefällen.
Offensichtliche Fehler (Zahlendreher, Angaben in der falschen Zeile) lassen sich durch ein Telefonat mit dem Bearbeiter oder durch eine E-Mail aus der Welt schaffen. Ein solcher " Antrag auf Änderung" hat den Vorteil, dass das Finanzamt nur den beanstandeten Punkt berücksichtigt. Es darf nicht den gesamten Fall neu aufrollen.
♦ Fristenberechnung
Die Monatsfrist für den Einspruch beginnt bei Zustellung des Bescheides mit einfachem Brief – das ist der Normalfall – am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 AO). Der Tag der Aufgabe zur Post entspricht dem Datum des Bescheides.
Der Tag der Bekanntgabe hat einerseits Bedeutung für den Beginn der Einspruchsfrist, andererseits auch für die Fälligkeit einer nachzuzahlenden Steuer.
Fällt der dritte Tag nach Versand auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, gilt der Bescheid am nächsten Tag als zugestellt / bekanntgegeben. Ist der dritte Tag z. B. Sonntag, der 24 Juli, ist der Tag der Bekanntgabe Montag, der 25. Juli. Die Frist endigt am 25. August um 24 Uhr.
Gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 108 Abs. 1 AO gelten für die Berechnung von Fristen die §§ 187 bis 193 BGB entsprechend. Beginnt die Frist mit einem Ereignis, z. B. dem Tag der Zustellung, zählt nach BGB der Tag des Ereignisses nicht mit, d. h., die Frist beginnt mit dem darauffolgenden Tag um Null Uhr zu laufen (§ 187 BGB).
Die Frist endigt einen Monat später mit dem Ablauf des Tages, welcher durch seine Zahl dem Ereignistag entspricht (§ 188 BGB). Dabei wird der Monat immer mit 30 Tagen angesetzt, auch wenn er im Einzelfall, so der Monat Mai, 31 Tage umfasst.
Beispiel
Datum des Bescheides 27.04. plus drei Tage = 30.04. (Tag der Bekanntgabe = Ereignistag). Beginn der Monatsfrist ist also der 01.05. Null Uhr; Ende der Frist 30.05., 24 Uhr. Das Einspruchsschreiben muss also spätestens am 30. 05. um 24 Uhr im Briefkasten des Finanzamts (BFH Beschluss vom 04.09.2008 - X B 113 / 08).
Es ging hier speziell um die Frage, ob das Monatsende Mai, also der 31.5., letzter Tag der Einspruchsfrist ist. Weil indessen jeder Monat mit 30 Tagen angesetzt wird, war im vorliegenden Fall der 30.05. der letzte Tag der Einspruchsfrist.
♦ Tipp Drei-Tage-Frist gilt im Zweifel nicht
Das Finanzamt hat im Zweifel zu ermitteln, ob durch den Ablauf der Postversendung im Rechenzentrum gewährleistet ist, dass der Tag der Aufgabe zur Post regelmäßig mit dem Datum des Bescheids übereinstimmt (BFH Beschluss vom 26. Februar 2020, VIII B 56/19).
Im Streitfall hat der Stpfl. gegen einen Steuerbescheid mit Datum vom 20.10. erst am 01.12. und damit verspätet Einspruch eingelegt. Den Einspruch verwarf das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung als unzulässig.
Hiergegen macht der Stpfl. u.a. geltend, die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gelte nicht, weil Zweifel am Zugang des Steuerbescheids innerhalb der Drei-Tages-Frist bestünden. Zur Begründung verwies er u.a. auf die im Bescheid verwendete falsche Schreibweise seines Namens sowie auf ein Schreiben des Finanzamts vom 08.05., das den Poststempel vom 11.05.2018 trage und daher nicht innerhalb von drei Tagen nach dem Bescheiddatum zugegangen sein könne.
Im Beschwerdeverfahren hat der BFH einen Verfahrensfehler festgestellt und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Finanzamt bzw. Finanzgericht zurückgewiesen.
⇒ Wie Einspruch einlegen?
Bei umfänglicheren Fehlern ist der Einspruch die bessere Wahl (§ 347 AO).
Durch ihn wird (anders als beim Änderungsantrag) die Steuerberechnung / Veranlagung komplett neu aufgerollt. Ohne Bedeutung ist die Formulierung des Einspruchs. Es muss nicht einmal das Wort "Einspruch" genannt werden. Wichtig ist, dass aus dem Vorgang hervorgeht, dass Sie sich durch den Steuerbescheid beschwert fühlen, also mit dem Steuerbescheid nicht einverstanden sind.
Es muss indessen plausibel dargelegt werden, warum die Veranlagung des Finanzamts fehlerhaft ist. Manchmal genügt es, nur weitere Belege nachzureichen.
Ein Einspruch wird als "Rechtsbehelf" bezeichnet, weil er sich nicht an eine gerichtliche Instanz wendet, sondern an den Aussteller der "Rechnung".
Form des Einspruchs
Den Einspruch können Sie schriftlich per Brief, Fax, E-Mail oder Online über Elster einlegen. Sie können ihn auch direkt im Finanzamt zu Protokoll geben.
Der Einspruch ist bei dem Finanzamt anzubringen, dessen Bescheid angefochten wird. Es genügt, wenn Sie angeben, was nach Ihrer Meinung am Bescheid falsch ist. Eine detaillierte Begründung können Sie später nachreichen.
- Musterformulierungen
Betrifft: Einkommensteuerbescheid für das Jahr 20..... vom ..... StNr. ..........
Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen den obigen Steuerbescheid lege ich Einspruch ein.
Ausführliche Begründung folgt.
- Weitere Musterformulierungen
— Bei Durchsicht meiner Unterlagen habe ich festgestellt, dass ich noch folgende Aufwendungen geltend machen kann: Fahrtkosten, Spenden, Krankheitskosten etc.
— Aus dem Einkommensteuerbescheid ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen Sie von der Steuererklärung abgewichen sind.
— Ich habe von einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs erfahren (Az. ...). Demnach kann ich für 20.. noch geltend machen.....
— Zu den nicht anerkannten Kosten / Steuervergünstigungen verweise ich auf das Verfahren beim Bundesfinanzhof (Az. ...) und bitte um Ruhen des Verfahrens bis zur richterlichen Entscheidung.
Geht ein Einspruch beim Finanzamt ein, wird der gesamte Steuerfall erneut geprüft / aufgerollt. Dies geschieht in zwei Schritten geprüft: Der Einspruch muss zulässig und begründet sein. Ansonsten wird er abgeschmettert.
Zulässig ist ein Einspruch, wenn er innerhalb der Einspruchsfrist eingelegt wurde. Wenn es daran mangelt, wird der Einspruch als unzulässig verworfen. Ein unzulässiger Einspruch wird sachlich nicht behandelt, selbst wenn er nach materiellem Recht begründet wäre. Nur bei einem zulässigen Einspruch muss also überprüft werden, ob dem Einspruch überhaupt stattzugeben ist (§ 358 AO).
Ist der Einspruch zulässig, muss er begründet sein. Dazu sind Tatsachen vorzutragen. Eine Tatsache, ist ein nachweisbarer, wahrer oder anerkannter Sachverhalt.
Rechtzeitig zahlen
Auch wenn ein Einspruch eingelegt worden ist, müssen die im Steuerbescheid angeforderten Beträge fristgemäß gezahlt werden.
Die Zahlung der angeforderten Beträge können Sie nur vermeiden, indem Sie erfolgreich einen Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" oder "Stundung" stellen. Den Antrag stellen Sie zusammen mit dem Einspruch in ein und demselben Schreiben.
Zum Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" mehr im nächsten Beitrag.