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Anlage N
Zusammenfassung / Begriff
Die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte werden steuerlich durch Ansatz der Entfernungspauschale berücksichtigt (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
Im Rahmen der Entfernungspauschale sind 0.30 € je Entfernungskilometer abzugsfähig. Nachteilige Auswirkungen hat die Entfernungspauschale insbesondere für Dienstwageninhaber, die einen zusätzlichen geldwerten Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zu versteuern haben.
Wohingegen bei Dienstreisen für Fahrtkosten 0.30 € je gefahrenen Kilometer als Reisekosten abzugsfähig sind und die nachteiligen Folgen für Dienstwageninhaber entfallen.
Zudem kann der Arbeitgeber Reisekosten bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei erstatten (§ 3 Nr. 13 und 16 EStG).
Außerdem sind Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen abzugsfähig (§ 9 Abs. 4a EStG), ferner Übernachtungskosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 5a und 5b EStG) und Reisenebenkosten.
Reisekosten entstehen aber nur, wenn der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte tätig wird.
Der ersten Tätigkeitsstätte kommt somit besondere Bedeutung zu.
♦ Der Arbeitgeber kann zuordnen
Voraussetzung für eine "erste Tätigkeitsstätte" ist, dass der Arbeitnehmer einer festen betrieblichen Einrichtungen dauerhaft zugeordnet ist. Das Gesetz nennt dabei abschließend zwei Fallgruppen, die eine dauerhafte Zuordnung begründen.
Von einer dauerhaften Zuordnung im Sinne einer ersten Tätigkeitsstätte ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer
Fall 1: Durch Festlegung des Arbeitgebers oder gemeinsamer Absprachen einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist (arbeitsrechtliche Zuordnung) oder
Fall 2: Zeitlich in der betrieblichen Einrichtung dauerhaft
Zu Fall 1:
Wird der Arbeitnehmer in einer vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte - zumindest in ganz geringem Umfang - tätig, z. B. mit Hilfs- und Nebentätigkeiten (Nachweis durch Auftragsbestätigungen, Stundenzettel etc.), kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dieser Tätigkeitsstätte zuordnen. Auf die Qualität des Tätigwerdens kommt es, anders als bei der Bestimmung anhand der quantitativen Zuordnung, nicht an. Vielmehr können, wie z. B. bei Festlegung einer Dienststelle / Dienststätte, auch Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung ausreichend sein (Vorrang des Dienst- oder Arbeitsrechts, BFH-Urteil vom 4. April 2019, VI R 27/17).
Erforderlich, aber ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (BFH-Urteil vom 4. April 2019, VI R 27/17, BStBl 2019 II S. 536und BFH-Urteil vom 11. April 2019, VI R 40/16, BStBl 2019 II S. 546).
Beispiel 1:
Der Vertriebsmitarbeiter V für die Region A soll einmal wöchentlich an den Firmensitz nach B fahren, dem er zugeordnet ist. Dort soll er anfallende Bürotätigkeiten erledigen und an Dienstbesprechungen teilnehmen. Firmensitz B ist dadurch erste Tätigkeitsstätte auf Grund der arbeitsrechtlichen Zuordnung. Dabei ist unerheblich, dass V überwiegend in der Region A und nicht in der Region B tätig werden soll. Quelle: BMF, 25.11.2020, IV C 5 - S 2353/19/10011 :006, Rz 7 und 9.
Folge: Arbeitnehmer V unternimmt Dienstreisen, wenn er beruflich auswärts (außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte / Firmensitz B) tätig wird und kann Reisekosten geltend machen, die der Arbeitgeber bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei erstatten kann (§ 3 Nr. 13 und 16).
Beispiel 2:
Ein IT-Spezialist ist seit mehreren Jahren ausschließlich für die EDV-Systembetreuung des Kunden A zuständig, den er arbeitstäglich von zu Hause aufsucht.
Der mehrjährige Einsatz bei dem Kunden A führt zur ersten Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers beim Kunden A (§ 9 Abs. 4 Satz 1 EStG / Zuordnung bei einem Dritten). Da eine dauerhafte Zuordnung zur betrieblichen Einrichtung des Kunden vorliegt, kann der Arbeitnehmer keine Reisekosten in Anspruch nehmen. Die Fahrtkosten unterliegen den Regeln der Entfernungspauschale. Ein steuerfreier Arbeitgeberersatz ist ausgeschlossen.
Sofern dem Arbeitnehmer ein Firmenwagen zur Verfügung steht, löst dies einen geldwerten Vorteil für die Fahrten zum Kunden aus, der sich bei der 1-%-Methode mit 0,03 % des inländischen Bruttolistenpreises pro Entfernungskilometer berechnet.
Soll hingegen der Arbeitnehmer am Firmensitz des Arbeitgebers zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten (Auftragsbestätigungen, Stundenzettel abgeben etc.), kann der Arbeitgeber den Firmensitz als erste Tätigkeitsstätte bestimmen. Auf die Qualität des Tätigwerdens am Firmensitz kommt es, anders als bei der Bestimmung anhand der quantitativen Zuordnungskriterien, nicht an. Vielmehr können, wie z. B. bei Festlegung einer Dienststelle/Dienststätte, auch Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung ausreichend sein (Vorrang des Dienst- oder Arbeitsrechts, BFH Urteil vom 4. April 2019 - VI R 27/17).
Auch Baucontainer, die z. B. auf einer Großbaustelle längerfristig fest mit dem Erdreich verbunden sind und in denen sich z. B. Baubüros, Aufenthaltsräume oder Sanitäreinrichtungen befinden, stellen "ortsfeste" betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers dar. Die Fahrten von der Wohnung zu den Baucontainern sind Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, keine Dienstreisen.
♦ Sammelpunkt / Treffpunkt
Die Fahrten zu einem Sammelpunkt / Treffpunkt werden durch die Entfernungspauschale abgegolten, weil ein Sammelpunkt / Treffpunkt als Erste Tätigkeitsstätte gilt. Für die Fahrten danach ist Reisekostenabzug angesagt.
Dies bedeutet: Liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor und bestimmt der Arbeitgeber den täglichen Arbeitseinsatz, indem sich der Arbeitnehmer an einem bestimmten Treffpunkt einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt. Fahrtkosten für diese Fahrten dürfen nur durch den Ansatz der Entfernungspauschale (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und Absatz 2 EStG) steuerlich berücksichtigt werden.
Für die anschließenden Fahrten können Reisekosten geltend gemacht werden.
Beispiel 1
Bus- oder LKW-Fahrer haben regelmäßig keine erste Tätigkeitsstätte. Dieser Personenkreis kann daher Reisekostenabzug geltend machen.
Ausnahme: Lediglich, wenn dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich ein vom Arbeitgeber festgelegter Ort aufgesucht werden soll, werden die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort / Sammelpunkt / Treffpunkt mit der Entfernungspauschale berücksichtigt. Für die weiteren Fahrten von dort ist Reisekostenabzug möglich.
Beispiel 2
Kundendienstmonteure oder Bauarbeiter haben ebenfalls in der Regel keine erste Tätigkeitsstätte. Auch sie können Reisekosten geltend machen.
Ausnahme: Nur dann, wenn dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich ein vom Arbeitgeber festgelegter Ort aufgesucht werden soll, werden die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort / Sammelpunkt ebenso behandelt wie die Fahrten von der Wohnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte. Für die weiteren Fahrten ist Reisekostenabzug möglich.
♦ Weiträumiges Tätigkeitsgebiet
Ein großflächiges und infrastrukturell erschlossenes Gebiet z. B. Werksanlage, Betriebsgelände, Zechengelände, Bahnhof oder Flughafen gilt als Erste Tätigkeitsstätte.
Soll der Arbeitnehmer auf Grund der Weisungen des Arbeitgebers seine berufliche Tätigkeit typischerweise arbeitstäglich in einem weiträumigen Gebiet ausüben, gilt für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Tätigkeitsgebiet die Entfernungspauschale. In einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet werden in der Regel z. B. Zusteller, Streifenpolizisten, Beschäftigte im Ordnungsamt einer Gemeinde oder Forstarbeiter tätig.
Hingegen sind z. B. Bezirksleiter und Vertriebsmitarbeiter, die verschiedene Niederlassungen betreuen oder mobile Pflegekräfte, die verschiedene Personen in deren Wohnungen in einem festgelegten Gebiet betreuen sowie Schornsteinfeger von dieser Regelung nicht betroffen.
Wird das Sammelgebiet immer von verschiedenen Zugängen aus betreten oder befahren, ist die Entfernungspauschale aus Vereinfachungsgründen bei diesen Fahrten nur für die kürzeste Entfernung von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang anzuwenden.
Für alle Fahrten innerhalb des Sammelgebiets sowie für die zusätzlichen Kilometer bei den Fahrten von der Wohnung zu einem weiter entfernten Zugang können die tatsächlichen Aufwendungen oder der sich am Bundesreisekostengesetz orientierende maßgebliche pauschale Kilometersatz angesetzt werden (0.30 € je gefahrenen km).
Tipp für Monteure
Als Kundendienstmonteur können Sie vielleicht Ihre Touren so einrichten, dass Sie nicht mehr als ein Drittel Ihrer Arbeitszeit und möglichst nicht zwei ganze Arbeitstage pro Woche im Betrieb verbringen. Dann haben Sie dort keine erste Tätigkeitsstätte und Ihre Fahrten dorthin fallen nicht unter die Entfernungspauschale, sind fallen unter Außendiensttätigkeit. So können 30 Cent je PKW-km angesetzt werden und Sie haben Anspruch auf die Verpflegungspauschale.
Als Nachweis führen Sie möglichst durchgängig aber für mindestens 3 Monate hintereinander - repräsentativ - ein Arbeitszeitenbuch.
Tipp für Studenten
Eine Bildungseinrichtung, z. B. Hochschule, ist erste Tätigkeitsstätte, wenn die Bildungsmaßnahme außerhalb eines Dienstverhältnisses erfolgt (§ 9 Abs. 4 Satz 8 EStG). Folglich sind die Aufwendungen für die Wege von der Wohnung zur Bildungseinrichtung nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten anzusetzen, wenn es sich um eine Zweitausbildung handelt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG / BFH Urteil vom 14. Mai 2020, VI R 24/18).