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2.1.3.1 Details zur ersten Tätigkeitsstätte Zeile 61 ff

 Anlage N

Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte werden im Rahmen einer verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale i.  H.  v. 0,35 € pro Entfernungskilometer berücksichtigt (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

Dies bedeutet: Wenn die tatsächliche Arbeitsstätte zugleich auch erste Tätigkeitsstätte ist, kann der Arbeitnehmer keine Reisekosten erhalten.

⇒   Details zur ersten Tätigkeitsstätte

Für viele Arbeitnehmer stellt sich die Frage: Wie lässt sich eine erste Tätigkeitsstätte vermeiden, damit ich steuerfreie Spesen abrechnen kann? 

In seinem Reisekostenerlass vom 25.11.2020 - IV C 5 - S 2353/19/10011 erläutert der Finanzminister, wann eine Erste Tätigkeitsstätte vorliegt. 

Hier seine Regeln, redaktionell bearbeitet: 

Der Arbeitnehmer kann je Dienstverhältnis höchstens eine erste Tätigkeitsstätte, ggf. aber auch keine erste, sondern nur auswärtige Tätigkeitsstätten haben (§ 9 Absatz 4 Satz 5 EStG).

♦   Bestimmung durch den Arbeitgeber

Bei mehreren Tätigkeitsstätten bestimmt der Arbeitgeber vorrangig, welche Tätigkeitsstätte die erste ist. Hat der Arbeitgeber keine Bestimmung getroffen,  werden hilfsweise bestimmte Kriterien herangezogen.

Voraussetzung ist zudem, dass der Arbeitnehmer in einer der in § 9 Absatz 4 Satz 1 EStG genannten ortsfesten Einrichtungen dauerhaft tätig werden soll. Ein Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte ist außerhalb seiner Wohnung immer auswärts tätig.

Soll der Arbeitnehmer an mehreren Tätigkeitsstätten tätig werden und ist er einer bestimmten Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich dauerhaft zugeordnet, ist es unerheblich, in welchem Umfang er seine berufliche Tätigkeit an dieser oder an den anderen Tätigkeitsstätten ausüben soll. Auch auf die Regelmäßigkeit des Aufsuchens dieser Tätigkeitsstätten kommt es dann nicht an.

♦   Tätigkeitsstätte

Tätigkeitsstätte ist eine von der Wohnung getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung, die räumlich zusammengefasste Sachmittel umfasst, die dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (BFH-Urteil vom 11. April 2019, VI R 12/17). Nur für die Fahrten von der Wohnung zur Ersten Tätigkeitsstätte wird durch die Entfernungspauschale abgegolten.

  • Baucontainer als Wohnung 

So stellen auch Baucontainer, die z. B. auf einer Großbaustelle längerfristig fest mit dem Erdreich verbunden sind und in denen sich z. B. Baubüros, Aufenthaltsräume oder Sanitäreinrichtungen befinden, "ortsfeste" betriebliche Einrichtungen dar.

♦   Sammelpunkt / Treffpunkt

Die Fahrten zu einem Sammelpunkt / Treffpunkt werden durch die Entfernungspauschale abgegolten, weil ein Sammelpunkt / Treffpunkt als Erste Tätigkeitsstätte gilt.  Für die Fahrten danach ist Reisekostenabzug angesagt.

Dies bedeutet: Liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor und bestimmt der Arbeitgeber den täglichen Arbeitseinsatz, indem sich der Arbeitnehmer an einem bestimmten Treffpunkt  einfinden soll, um von dort seine unterschiedlichen eigentlichen Einsatzorte aufzusuchen oder von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, werden die Fahrten des Arbeitnehmers von der Wohnung zu diesem Ort wie Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte behandelt. Fahrtkosten für diese Fahrten dürfen nur durch den Ansatz der Entfernungspauschale (§ 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und Absatz 2 EStG) steuerlich berücksichtigt werden.

Für die anschließenden Fahrten können Reisekosten geltend gemacht werden.  

Beispiel 1

Bus- oder LKW-Fahrer haben regelmäßig keine erste Tätigkeitsstätte. Dieser Personenkreis kann daher Reisekostenabzug geltend machen.

Ausnahme: Lediglich, wenn dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich ein vom Arbeitgeber festgelegter Ort aufgesucht werden soll, werden die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort / Sammelpunkt / Treffpunkt  mit der Entfernungspauschale berücksichtigt. Für die weiteren Fahrten von dort ist Reisekostenabzug möglich.

Beispiel 2

Kundendienstmonteure oder Bauarbeiter haben ebenfalls in der Regel keine erste Tätigkeitsstätte. Auch sie können Reisekosten geltend machen.

Ausnahme: Nur dann, wenn dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich ein vom Arbeitgeber festgelegter Ort aufgesucht werden soll, werden die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort / Sammelpunkt ebenso behandelt wie die Fahrten von der Wohnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte. Für die weiteren Fahrten ist Reisekostenabzug möglich. 

♦   Weiträumiges Tätigkeitsgebiet

Ein großflächiges und infrastrukturell erschlossenes Gebiet z. B. Werksanlage, Betriebsgelände, Zechengelände, Bahnhof oder Flughafen gilt als Erste Tätigkeitsstätte.

Soll der Arbeitnehmer auf Grund der Weisungen des Arbeitgebers seine berufliche Tätigkeit typischerweise arbeitstäglich in einem weiträumigen Gebiet ausüben, gilt für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Tätigkeitsgebiet die Entfernungspauschale. In einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet werden in der Regel z. B. Zusteller, Streifenpolizisten, Beschäftigte im Ordnungsamt einer Gemeinde oder Forstarbeiter tätig.

Hingegen sind z. B. Bezirksleiter und Vertriebsmitarbeiter, die verschiedene Niederlassungen betreuen oder mobile Pflegekräfte, die verschiedene Personen in deren Wohnungen in einem festgelegten Gebiet betreuen sowie Schornsteinfeger von dieser Regelung nicht betroffen.

Wird das Sammelgebiet  immer von verschiedenen Zugängen aus betreten oder befahren, ist die Entfernungspauschale aus Vereinfachungsgründen bei diesen Fahrten nur für die kürzeste Entfernung von der Wohnung zum nächstgelegenen Zugang anzuwenden.

Für alle Fahrten innerhalb des Sammelgebiets sowie für die zusätzlichen Kilometer bei den Fahrten von der Wohnung zu einem weiter entfernten Zugang können die tatsächlichen Aufwendungen oder der sich am Bundesreisekostengesetz orientierende maßgebliche pauschale Kilometersatz angesetzt werden (0.30 € je gefahrenen km).

  • Eine Baustelle oder ein Fahrzeug (Bus, Bahn, LKW) sind keine ortsfesten betrieblichen Einrichtungen. Bauarbeiter, Fernfahrer, Busfahrer arbeiten somit ausschließlich im Außendienst, denn sie haben keine erste Tätigkeitsstätte. Wenn sie mit ihrem Fahrzeug unterwegs sind, haben sie Anspruch auf die Verpflegungspauschale.  und eine Übernachtungspauschale (Übernachtung im Fahrzeug) von 5 € pro Nacht,
  • Polizeibeamte im Streifendienst: Die Dienststelle ist erste Tätigkeitsstätte, weil die Beamten dieser Dienststelle zugeordnet seien und dort Schreibarbeiten ausführen und an Dienstantrittsbesprechungen teilnehmen (BFH vom 4.4.2019 - VI R 27/17). Folge: Zur Dienststelle gehört auch der Streifenbezirk, also keine Reisekosten /  Verpflegungspauschalen für die Zeit der Tätigkeit auf Streife.
  • Postbeamte im Zustelldienst: Der Zustellpunkt (Zustellzentrum), dem ein Postzusteller zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z.B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt, ist erste Tätigkeitsstätte. Zur ersten Tätigkeitsstätte / zum festen Zustellungsstützpunkt gehört auch der Zustellbezirk. Die gesamte Tätigkeit im Zustellungsstützpunkt erstreckt sich auf die täglich im Zustellungsstützpunkt zu erledigenden Sortierarbeiten einschließlich der nach Rückkehr zum Zustellungsstützpunkt zu erledigenden Nacharbeiten (BFH Urteil vom 30.09.2020 - VI R 10/19), also kein Reisekostenabzug.
  • Piloten: Die Tätigkeit eines Piloten wird zwar schwerpunktmäßig im Flugzeug ausgeübt, gleichwohl ist der Heimatflughafen erste Tätigkeitsstätte. Wer einem bestimmten Flughafen zugeordnet ist und dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsvertraglich geschuldet sind, hat dort seine erste Tätigkeitsstätte (BFH vom 11.04,2019 - VI R 40/16). Kein Reisekostenabzug,
  • Leiharbeiter: Ein Leiharbeiter, der immer wieder anderen Auftraggebern seiner Personalservicefirma zugeteilt wird, hat durchgehend eine Auswärtstätigkeit. Wird der Leiharbeiter hingegen für die gesamte Vertragslaufzeit von z. B. fünf Jahren dem Kundenbetrieb zugewiesen, hat vom Beginn an seine erste Tätigkeitsstätte im Kundenbetrieb

Tipp für Monteure

Als Kundendienstmonteur können Sie vielleicht Ihre Touren so einrichten, dass Sie nicht mehr als ein Drittel Ihrer Arbeitszeit und möglichst nicht zwei ganze Arbeitstage pro Woche im Betrieb verbringen. Dann haben Sie dort keine erste Tätigkeitsstätte und Ihre Fahrten dorthin fallen nicht unter die Entfernungspauschale, sind fallen unter Außendiensttätigkeit. So können 30 Cent je PKW-km angesetzt werden und Sie haben Anspruch auf die Verpflegungspauschale.

Als Nachweis führen Sie möglichst durchgängig aber für mindestens 3 Monate hintereinander - repräsentativ - ein Arbeitszeitenbuch.

Tipp für Studenten

Eine Bildungseinrichtung, z. B. Hochschule, ist erste Tätigkeitsstätte, wenn die Bildungsmaßnahme außerhalb eines Dienstverhältnisses erfolgt (§ 9 Abs. 4 Satz 8 EStG). Folglich sind die Aufwendungen für die Wege von der Wohnung zur Bildungseinrichtung nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten anzusetzen, wenn es sich um eine Zweitausbildung handelt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG / BFH Urteil vom 14. Mai 2020, VI R 24/18).