Helfer in Steuersachen

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1.2.6 Steuerermäßigung bei außerordentlichen Einkünften / Abfindungen

Anlage N

Außerordentliche Einkünfte sind steuerpflichtig, können aber steuerbegünstigt sein

  • nach der sog. Fünftelregelung
  • mit 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes bei einem Alter von mindestens 55 Jahre (§ 34 Abs. 1 und Abs. 3 EStG)

Dabei erfolgt eine steuerliche Entlastung, indem auf den Betrag der Abfindung von nur einem Fünftel ihres Werts das Fünffache des hieraus ermittelten zusätzlichen Lohnsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wird (§ 34 Abs. 1 EStG). 

Wichtig

⇒   Außerordentliche Einkünfte / Abfindungen

Abfindungen im Rahmen der Auflösung eines Dienstverhältnisses können ggfs. ermäßigt besteuert werden, wenn es sich um außerordentliche Einkünfte handelt (§ 34 Abs. 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1 EStG). Als außerordentliche Einkünfte kommen insbesondere Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht.

Außerordentliche Einkünfte liegen vor, wenn aufgrund der Abfindung Einkünfte zusammengeballt in einem Jahr  zufließen, sodass durch die Zusammenballung eine über das gewohnte Maß hinaus übliche steuerliche Belastung durch Progression eintritt. Geringe Zahlungen als Abfindung  von bis zu 10 % in weiteren Jahren sind dabei unschädlich (BFH Urteil vom 06.12.2021 - IX R 10/21). 

Der Höhe  nach muss eine Zusammenballung vorliegen, wenn die Abfindung höher als der Arbeitslohn ist, der bei ungestörter Fortführung des Dienstverhältnisses bezogen worden wäre und hierdurch in einem Besteuerungsjahr eine ungewöhnlich hohe Progression eintritt. 

Die Fünftelregelung gilt auch im Lohnsteuerabzugsverfahren, da es sich hierbei um einen sonstigen Bezug handelt, der bei der Bemessung der Lohnsteuer zu berücksichtigen ist ((§ 39b Abs. 3 EStG). Dabei muss auch im Lohnbüro geprüft werden, ob eine Zusammenballung der Einkünfte vorliegt. Andernfalls ist die Abfindung regulär zu versteuern. 

  • Mehrjährige Tätigkeit

Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4  2. Halbsatz EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden.

  • Überstundenvergütung

Die genannten Grundsätze gelten auch für den Fall der nachträglichen Auszahlung von Überstundenvergütungen, soweit die Vergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden. Umfasst der Zeitraum, für den Überstunden veranlagungszeitraumübergreifend vergütet werden, mehr als zwölf Monate, ist danach die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4  2. Halbsatz EStG zu gewähren (BFH Urteil vom 02.12.2021 - VI R 23/19). Im Streitfall hatte der Arbeitnehmer 330 Überstunden aufgebaut.

⇒   Umfang der Steuervergünstigung

Außerordentliche Einkünfte sind steuerpflichtig, können aber steuerbegünstigt sein

  • nach der sog. Fünftelregelung oder
  • mit 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes bei einem Alter von mindestens 55 Jahre (§ 34 Abs. 1 und Abs. 3 EStG)

♦  Fünftelregelung 

Entschädigungszahlungen (Abfindungen) des Arbeitgebers wegen Auflösung des Dienstverhältnisses werden unter Anwendung der sog. Fünftelregelung ermäßigt besteuert. Die Steuer für die Abfindung wird dabei aus einem Fünftel des gezahlten Betrages berechnet und sodann verfünffacht. Dazu sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass die Zahlungen in einer Summe geleistet, also nicht auf mehr als ein Jahr verteilt werden (§ 34 EStG).

  •  Fünftelregelung und ihre Voraussetzungen

Die Anwendung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG setzt u.a. voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Kalenderjahr zufließen. Eine ermäßigte Besteuerung kommt insbesondere nicht in Betracht, wenn die Abfindung in zwei etwa gleich hohen Beträgen in unterschiedlichen Kalenderjahren zufließt (BFH 14.4.2015 - IX R 29/14).

Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Kalenderjahren ist deshalb grundsätzlich schädlich. Dies gilt nicht, soweit es sich um eine im Verhältnis zur Hauptleistung stehende geringfügige Zahlung handelt, die in einem anderen Kalenderjahr zufließt. Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, eine geringfügige Zahlung anzunehmen, wenn diese nicht mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt (BMF 04.03.2016 - IV C 4 - S 2290/07).

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer erhält nach Ausscheiden aus dem Betrieb zum 31.12. eine Abfindung von 36.000 €. Aus dem Aufhebungsvertrag geht hervor, dass der Arbeitnehmer einen betrieblichen PKW für ein Jahr weiterhin nutzen darf. Der Nutzungswert des betrieblichen PKW beträgt monatlich 500 € = 6.000 € im Kalenderjahr.

Der Nutzungswert von 6.000 €, der im nächsten Jahr zufließt, ist nicht als geringfügig im Vergleich zur Hauptleistung einzustufen. Er beträgt mehr als 10 % (6.000 : 36.000 x 100 = 16.66 %). Die Abfindung ist somit nicht steuerbegünstigt.

  • Fünftelregelung auch für Minijobber

Auch Minijobber haben Anspruch auf Abfindung. Nach mehreren Jahren im Minijob haben Sie die Brocken hingeschmissen, weil die Gesundheit nicht mehr mitspielt? Vergessen Sie nun aber nicht, eine Abfindung zu verlangen. Bringen Sie dazu die Dauer Ihrer Betriebszugehörigkeit ins Spiel. Ein sicherer Weg ist, wenn Sie Ihren Anspruch auf Abfindung über einen Fachanwalt für Arbeitsrecht stellen. Gegenüber einem Fachanwalt für Arbeitsrecht helfen keine faulen Ausreden (§ 40a Abs. 2 EStG).

Einen größeren praktischen Fall finden Sie im folgenden Beitrag 2.2.7

♦   56 % des durchschnittlichen Steuersatzes

Alternativ zur Fünftelregelung können außerordentliche Einkünfte auch mit 56 % besteuert werden (§ 34 Abs. 3 EStG).

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so kann auf Antrag die auf den Teil dieser außerordentlichen Einkünfte, der den Betrag von insgesamt 5 Millionen Euro nicht übersteigt, entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. 2Der ermäßigte Steuersatz beträgt 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14 Prozent. 3Auf das um die in Satz 1 genannten Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) sind vorbehaltlich des Absatzes 1 die allgemeinen Tarifvorschriften anzuwenden. 4Die Ermäßigung nach den Sätzen 1 bis 3 kann der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen. 5

Tipp Entschädigungen wegen sozialer Fürsorge unschädlich

Auch spätere Leistungen aufgrund sozialer Fürsorge sind steuerlich unschädlich. Werden zusätzliche Entschädigungsleistungen, die Teil einer einheitlichen Entschädigung sind, aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit in späteren Kalenderjahren gewährt, sind diese für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung unschädlich, wenn sie weniger als 50 % der Hauptleistung betragen.

Die Vergleichsrechnung ist hier durch Einnahmenvergleich vorzunehmen.

Zusatzleistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge sind beispielsweise solche Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber seinem (früheren) Arbeitnehmer zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Sie setzen keine Bedürftigkeit des entlassenen Arbeitnehmers voraus. Soziale Fürsorge ist allgemein im Sinne der Fürsorge des Arbeitgebers für seinen früheren Arbeitnehmer zu verstehen. Ob der Arbeitgeber zu der Fürsorge arbeitsrechtlich verpflichtet ist, ist unerheblich. ZU den Fürsorgemaßnahmen zählen:

a) Outplacement-Beratungen, um schneller an einen neuen Job zu kommen (BFH, 14.8.2001,  XI  R 22/00).

b)  Kurzzeitige Weiterbenutzung des Firmenwagen / Dienstwagens (BFH 3.7.2002, XI R 80/00)

c)  Spätere Aufstockung der Abfindung aus einem Sozialplan oder aus sozialer Fürsorge (BFH, 21.4.2002, XI R 33/02)

d)  Weitere Nutzung einer Werkswohnung zu einer günstigen Miete (BMF, 18.12.1998, IV A 5 - S 2290 - 18/98)

e)  Nachzahlung in späteren Jahren (BMF, 24.05.2004, IV A 5 - S 2290 - 20/04)

Quelle: BMF, 01.11.2013, IV C 4 - S 2223/07/0018

Tipp Abfindung mit Pensionszusage kombinieren

Mit der Fünftelregelung nach § 34 EStG kommen Sie schon relativ günstig davon, Ihre Abfindung zu versteuern. Bei der Fünftelregelung wird die Steuer für die Abfindung zunächst aus einem Fünftel des gezahlten Betrags berechnet und sodann verfünffacht. Damit wird der Progression die Spitze gebrochen.

Wenn Sie indessen Ihre Abfindung ganz oder zum Teil in Ihre Altersversorgung investieren, ist die Abfindung insoweit in voller Höhe steuerfrei (§ 3 Nr. 63 EStG). Sie können für jedes Jahr Ihrer Betriebszugehörigkeit nach dem 31.12.2004 aus den Mitteln der Abfindung 1.800 € steuerfrei  in eine Direktversicherung investieren.

Haben Sie indessen schon vorher steuerfreie Zahlungen in eine Pensionskasse, Direktversicherung oder einen Pensionsfonds erhalten, wird der vervielfältigte Höchstbetrag nach § 3 Nr. 63 EStG um die steuerfreien Beträge der letzten sieben Jahre gekürzt.

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer erhält nach 8 Jahren Betriebszugehörigkeit eine Abfindung von 50.000 €. Eine betriebliche Altersversorgung hatte er bislang nicht. Er möchte den Höchstbetrag aus § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei in eine Direktversicherung investieren.

Mehr erfahren: ? Suchen anklicken und den Begriff >Direktversicherung< eintragen.

Und so wird gerechnet:

Abfindung 50.000 €
Davon steuerfrei 1.800 € x 8 Jahre 14.400 €
Verbleiben - begünstigt zu besteuern 35.600 €

 

♦   Entschädigungen von Dritten / Versicherungsleistungen

Bei Entschädigungen wegen Körperverletzung ist zu unterscheiden zwischen Beträgen, die den Verdienstausfall ersetzen und solchen, die als Ersatz für Arzt- und Heilungskosten und die Mehraufwendungen während der Krankheit, sowie als Ausgleich für immaterielle Einbußen in Form eines Schmerzensgeldes gewährt werden.

Nur soweit entgangene oder entgehende Einnahmen auf Grund der verminderten Erwerbsfähigkeit ersetzt werden, ist eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gegeben und – tarifbegünstigt – steuerpflichtig (BFH 11.10.2017 - IX R 11/17).

Ersatz für Arzt- und Heilungskosten und die Mehraufwendungen während der Krankheit, sowie als Ausgleich für immaterielle Einbußen in Form eines Schmerzensgeldes gewährt werden sind nicht steuerpflichtig, ggfs. mit entstandenen Kosten, die als außergewöhnliche Belastungen infrage kommen, zu verrechnen.