Aktuelle Seite: Startseite > Inhalt > 19 Steuerstrafverfahren > 3.0.0 V e r n e h m u n g von Beschuldigten
Steuern? Mach ich selbst.
Verfahrensrecht / Strafprozessordnung (Steuer)
Ein Geständnis im Rahmen einer Vernehmung ist das beste Beweismittel gegen den Beschuldigten.
Mit der Vernehmung eines Beschuldigten durch die Beamten der Steuerfahndung oder der Straf- und Bußgeldsachenstelle (Bustra) wird der Zweck verfolgt, einen Sachverhalt aufzuklären bzw. ein Geständnis für eine Straftat zu erlangen.
♦ Rechtsstellung des Beschuldigten
Sobald ein Steuerstrafverfahren eingeleitet ist, muss der Beschuldigte nicht aussagen, er kann also jegliche Aussage verweigern.
Der Beschuldigte ist auch nicht verpflichtet, vor der Steufa zur Vernehmung zu erscheinen. Er kann sich dafür entscheiden, von der Bustra vernommen zu werden (§ 163a Abs. 3 Satz 1 StPO). Dies kann für den Beschuldigten vorteilhafter sein, weil die Bustra als Dienststelle des Finanzamts an einer einvernehmlichen Regelung im Rahmen des Besteuerungsverfahrens gelegen ist. Wohingegen die Steufa-Beamten dazu nichts sagen können.
In der Praxis erfolgt die erste Vernehmung indessen in der Regel durch die Steufa in den Räumen des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann sein Aussageverweigerungsrecht frei - also beliebig - in Anspruch nehmen. Daraus dürfen für ihn keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Teilweises Schweigen kann indessen als Beweisanzeichen gewertet werden.
Beispiel 1
Frage des Fahnders: Haben Sie Geschäftsbeziehungen nach Ungarn?
Antwort: Schweigen.
Die Vernehmung ist damit in diesem Punkt beendet.
Beispiel 2
Frage des Fahnders: Haben Sie Geschäftsbeziehungen nach Ungarn?
Antwort: Nein, ich war nur einmal in Budapest.
Nachfrage: Warum haben Sie sich mit jemand in Budapest zum Essen getroffen?
Antwort: Ich wollte eine Geschäftsbeziehung anbahnen, daraus wurde aber nichts.
Fahnder: Dies glauben wir nicht, Sie haben nach Ungarn geliefert, wir müssen schätzen.
Aus Beispiel 2 folgt: Vollständiges Schweigen darf nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen, sagt er allerdings aus und verweigert auf einzelne Fragen die Antwort, kann dies gegen ihn gewertet werden. Dies bedeutet: Besser vollständig Schweigen als teilweises Schweigen.
In vielen Fällen wird die Aussage / Einlassung vor der Bustra die richtigere Entscheidung sein. So sollte bei genauer Abwägung aller Fakten der Beschuldigte in der ersten Vernehmung durch die Steufa von seinem Schweigerecht Gebrauch machen und nur vor der Bustra seine Einlassungen vorbringen wollen. Die Aussage / Einlassung vor der Bustra kann so mit der weiteren Frage, wie das Verfahren strafrechtlich abgewickelt wird, einhergehen, weil die Bustra eine Dienststelle des Finanzamts ist. Die Bustra ist oft an einem einvernehmlichen Procedere interessiert, in welches die Aussage / Einlassung eingebettet werden kann.
So lässt sich manchmal durch ein schnelles Geständnis vor der Bustra eine akzeptable Straffolge sichern, wohingegen die Steuerfahnder dazu nichts sagen können, da sie hierfür nicht zuständig sind.
Praxis-Beispiel:
Der Landwirt Max Müller (Name geändert) hat eine landwirtschaftliche Fläche / Ackerland für rd. 2.5 Millionen € an die Gemeinde X verkauft, die darauf Bauland erschließen will.
Das Finanzamt ist dem Verbleib der Geldmittel nachgegangen und hatte im Rahmen einer Vermögens- und Geldverkehrsrechnung einen Fehlbetrag von 400.000 € festgestellt, d. h. es fehlten rd. 400.000 €, deren Verbleib der Steuerpflichtige erklären sollte. Zur Vermögens- und Geldverkehrsrechnung siehe (BFH Urteil vom 07.06.2000 - III R 82 / 97).
Einen Teilbetrag des Erlöses aus dem Verkauf des Ackerlandes hat der Steuerpflichtige in den Erwerb eines Hotelgrundstücks investiert. Es bestand der Anfangsverdacht, dass der Beschuldigte zusätzlich 400.000 € als Schwarzgeld an den Verkäufer des Hotelgrundstücks gezahlt hat.
Zur Klärung des genauen Sachverhalts wurde die Steufa eingeschaltet. Deren Tätigkeit begann mit der Vernehmung des Steuerpflichtigen.
Die Vernehmung durch zwei Fahndungsbeamte - nach Eröffnung des Strafverfahrens als Beschuldigter - fand in der Wohnung des Beschuldigten statt im Beisein des Steuerberaters. Es ging um Hinterziehung von Grunderwerbsteuer in Höhe von (3.5 % von 400.000 € =) 14.000 € und Beihilfe zur Hinterziehung von Einkommensteuer des Verkäufers von (42 % von 400.000 € =) 168.000 € plus Nebensteuern und von Gewerbesteuer in Höhe von rd. 44.000 €.
Den Fehlbetrag in der Vermögens- und Geldverkehrsrechnung von 400.000 € erklärte der Beschuldigte mit Spielbankverlusten in der Spielbank von Bad .... Er konnte aber weder die Räumlichkeiten der Spielbank beschreiben noch sagen, an welchen Tagen er dort war und nach welcher Methode er gespielt hatte. Die Einlassung mit Spielbankverlusten war also wenig glaubhaft. Nun bezog der Steuerfahnder die Mutter des Beschuldigten in die Vernehmung ein:.
„Herr Müller, Ihre Mutter lebt doch hier im Haus. Können Sie mal eben Ihre Mutter bitten herzukommen?" Der Beschuldigte kam dieser Aufforderung nach, die Mutter erschien dann auch.
„Frau Müller, wir wissen, dass Ihr Sohn beim Kauf des Hotels in der Ludgeristraße 400.000 € schwarz gezahlt hat. Dies dem Finanzamt zu verschweigen war ein großes Unrecht. Ihr Sohn hat sich damit versündigt gegen Gott und die Welt. Er wird erst wieder Ruhe finden, wenn er reinen Tisch gemacht hat. Sagen Sie ihm, er soll gestehen, es wird ihn nicht den Kopf kosten. Wir sind doch keine Unmenschen."
Die 85jährige Mutter schaute ihren Sohn erschrocken an, der daraufhin einen Weinkrampf bekam und die inoffizielle Zahlung eingestand. Mit diesem Eingeständnis hatte er auch zugleich den Verkäufer des Hotels belastet, der in Höhe des Schwarzgeldbetrages den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Hotels vermindert hat. Nicht immer hat ein solches Manöver Erfolg.
Aussageverweigerungsrecht in Anspruch nehmen
Hier ist einiges schief gelaufen. Der Beschuldigte und seine Mutter wurden zwar auf ihr Aussageverweigerungsrecht hingewiesen (§ 136 StPO), die Mutter aber nur in einem Nebensatz. Der Steuerberater hätte indessen intervenieren müssen, die betagte Mutter überhaupt in die Vernehmung des Sohnes einzubeziehen. Zweitens hätte er dem Beschuldigten raten müssen, nicht auszusagen. Viele Beschuldigte verlieren indessen unter dem Druck der Fakten die Nerven und machen unnötige Fehler, so auch hier, die Tat überhaupt zuzugeben.
Abgesehen davon ist fraglich, ob ein Verwertungsverbot nach § 149 AO besteht. § 149 AO verweist auf § 136a StPO, der verbotene Vernehmungsmethoden aufzeigt, u. a. Drohung, Täuschung, falsche Versprechen.
ʘ 17.06.2021