Steuern? Mach ich selbst.
Verfahrensrecht / Strafprozessordnung (Steuer)
Zusammenfassung / Begriff
Mit einer Selbstanzeige können Steuersünder einer Strafe oder einer Geldbuße entgehen. Steuersünder müssen lediglich in der Selbstanzeige unrichtige Angaben gegenüber der Finanzbehörde korrigieren und die geschuldete Steuer nachzahlen (§ 371 AO; § 378 Abs. 3 AO).
♦ Strafbefreiung nach Selbstanzeige
Mit einer Selbstanzeige sollen einerseits verborgene Steuerquellen erschlossen werden; zum anderen soll dem Steuerstraftäter ein Anreiz gegeben werden, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist dann gegeben, wenn der Täter in der Selbstanzeige vollständige und richtige Angaben – mithin „reinen Tisch” – macht. Erst dann liegt eine strafbefreiende Selbstanzeige i.S. d. § 371 Abs. 1 AO vor (BGH 20.5.2010 - 1 StR 577/09).
♦ Mangelhafte Selbstanzeige
Sind die Voraussetzungen für eine Selbstanzeige nicht erfüllt, ist die Selbstanzeige nicht wirksam. Die einzelnen Fälle einer unwirksamen Selbstanzeige sind in § 371 Abs. 2 AO aufgelistet (Ausschlussgründe / Sperrwirkung).
Die Abgabenordnung benennt mehrere Ausschlussgründe für eine nicht wirksame Selbstanzeige:
Beispiel
Die Selbstanzeige eines prominenten Steuerpflichtigen aus München, bekannt als Präsident eines dortigen Fußballclubs, scheiterte an dem Erfordernis "In vollem Umfang". Es ging um nicht erklärte Spekulationsgewinne aus Wertpapiergeschäften in Millionenhöhe. Soll eine solche Selbstanzeige wirksam sein, muss jedes einzelne Wertpapiergeschäft mit den Daten für Ankauf und Verkauf sowie dem jeweiligen Ertrag aufgeschlüsselt mitgeteilt werden. Die Berater haben dies in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erledigen können.
♦ Vollständigkeit der Selbstanzeige
In der Selbstanzeige muss der Steuerpflichtige in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigen, unvollständige Angaben ergänzen oder die unterlassenen Angaben nachholen.
Eine Selbstanzeige ist vollständig, wenn alle strafrechtlich nicht verjährten Steuerstraftaten (§ 369 Abs. 1 Nummer 1 AO) einer Steuerart offenbart werden (§ 371 Abs. 1 AO). Anknüpfungspunkt ist die materielle Tat, die durch Steuerart und Besteuerungszeitraum bestimmt wird, z. B. Einkommensteuer für die Jahre 01 bis 10.
Die Angaben müssen somit zu allen nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.
Geringfügige Abweichungen berühren indessen die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht. Eine geringfügige Abweichung liegt vor, wenn die Unvollständigkeit der Selbstanzeige dazu führt, dass die daraufhin festgesetzte Steuer um nicht mehr als 5 % hinter der tatsächlich geschuldeten Steuer zurückbleibt. Es wird also nicht auf die Höhe der Abweichung bei den Besteuerungsgrundlagen abgestellt, sondern auf den Unterschied der festgesetzten zur geschuldeten Steuer.
Die Steuerbehörde muss aufgrund der eingereichten Unterlagen und Erläuterungen in der Lage sein, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollständig aufzuklären und die Steuer zutreffend festzusetzen.
♦ Selbstanzeige personengebunden
Die Selbstanzeige kommt nur dem Zugute, der sie erstattet hat. Dies bedeutet: Waren an der Tat mehrere beteiligt, und erstattet nur einer davon eine Selbstanzeige, beschränkt sich deren strafbefreiende Wirkung nur auf dessen Tat. Dies führt dazu, dass dadurch dem Finanzamt die Mittäterschaft der anderen offenbart wird und damit ein Ausschlussgrund für eine Selbstanzeige der Mittäter vorliegt (Tat entdeckt / § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO).
♦ Selbstanzeige in der Praxis
Im Normalfall geschieht die Abgabe der Selbstanzeige in zwei Schreiben des Steuerberaters
An Finanzamt X
Betrifft: Name des Mandanten, Steuernummer ....ID-Nr. ....
Sehr geehrte Damen und Herren,
unter Bezugnahme auf die beiliegenden Vollmachten zeigen wir an, dass wir Herrn / Frau .... (Adresse) vertreten.
Vollmachten jeweils anbei. Unsere Mandanten erstatten Selbstanzeige gem. § 371 AO.
Allgemeines zum Sachverhalt
Im Namen unserer vorbezeichneten Mandanten machen wir zu den Veranlagungszeiträumen ab 20.. bis einschließlich 20.. zum Zwecke der Sachverhaltsaufhellung nachträgliche Angaben über bisher nicht erklärte, mithin zusätzliche Einkünfte zur Einkommensteuer.
An Finanzamt X
Betrifft: Name des Mandanten, Steuernummer ....ID-Nr. ....
Sehr geehrte Damen und Herren,
♦ "Besonders schwerer Fall": Selbstanzeige nicht wirksam
Wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt, ist die Selbstanzeige nicht wirksam (§ 371 Abs. 2 Nr. 4 AO). Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.
Wann ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt, regelt § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2-6 AO. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor,
Auch bei einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß ist die Selbstanzeige nicht wirksam.
Für die Annahme einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß ist zunächst die Höhe der schuldhaft verkürzten Steuern von Bedeutung (BGH-Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08). Das Merkmal "in großem Ausmaß" liegt danach nur dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 € übersteigt. Die Betragsgrenze von 50.000 € kommt namentlich dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunternehmen, aber auch, wenn der Täter steuermindernde Umstände vortäuscht, indem er z. B. tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht (BGH-Beschlüsse vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11 -, vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11 - und vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12 -).
♦ Erben als Straftäter
Auch ohne eigene >>kriminelle Energie<< können sich Steuerbürger unversehens in der Situation wiederfinden, Kapitalanlagen und die daraus geflossenen Erträge erklären zu müssen, wenn sie Vermögenswerte geerbt haben, die vom Erblasser nicht erklärt worden sind. Ohne Nacherklärung setzen sich die Erben selbst einer strafrechtlichen Verfolgung aus. Die Risiken steuerunehrlichen Verhaltens vererben sich also und übertragen sich nachhaltig auf die Erben.
Erhält ein Erbe Kenntnis davon, dass der Erblasser die Steuer auf Kapitalerträge nicht in der richtigen Höhe erklärt hat, ist er verpflichtet, die Steuererklärung des Erblassers zu berichtigen. Andernfalls macht er sich der Steuerhinterziehung schuldig. Dies gilt unabhängig davon, ob der Erblasser eine unwirksame Steuererklärung wegen Demenz abgegeben hat (BFH Urteil vom 29.08.2017 - VIII R 32/15).
Der Erbe tritt somit sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein und schuldet die Einkommensteuer als Gesamtschuldner in der Höhe, in der sie durch die Einkünfteerzielung des Erblassers entstanden ist.
ʘ 17.06.2021